Die Heilige von Myanmar

HAUSARREST Mit „The Lady“ versucht Luc Besson, die Geschichte der birmanischen Politikerin Aung San Suu Kyi zu erzählen, bleibt dabei aber zu respektvoll und diskret

Luc Besson hat nach „Johanna von Orleans“ mit Milla Jovovich in der Hauptrolle wieder eine Hagiografie inszeniert

VON WILFRIED HIPPEN

„Wenn du eine Botschaft hast, dann schick ein Telegram“, sagte einst Billy Wilder über Filme, durch die eine „gute Sache“ gefördert werden soll. Gut gemeinte Kunstwerke sind rar gesät, und aus dieser Zwickmühle kommt auch Luc Besson nicht heraus. Als Regisseur, vor allem aber Produzent von erfolgreichen Filmserien wie „Artur und die Minimoys“, „Taxi“ und „Transporter“ hätte er es eigentlich besser wissen müssen, aber diese Geschichte lag ihm offensichtlich so sehr am Herzen, dass er sie einfach erzählen musste. Aber warum sollte man besser keinen Film über Aung San Suu Kyi, eine der tapfersten und interessantesten Politikerinnen unserer Zeit, machen, wenn Meryl Streep für ihre Rolle als Lady Thatcher einen Oscar bekommt und alle vergleichbaren Ikonen des gewaltfreien politischen Widerstands wie Gandhi, Nelson Mandela und sogar der Dalai Lama schon längst zu Leinwandhelden gemacht wurden?

Ein Hauptproblem ist die mangelnde Distanz. Aug San Suu Kyi ist gerade an diesem Wochenende ins Parlament von Birma gewählt worden und es spricht vieles dafür, dass ihre Karriere als Politikerin jetzt erst richtig in Fahrt kommt. Sie ist, wie am letzten Montag in der taz getitelt wurde, eindeutig eine „Hoffnungsträgerin“ für den demokratischen Wandel in ihrem Land, und als solche wird sie auch in „The Lady“ (im Grunde sagt der Titel schon alles) porträtiert. Charakterliche Schwächen, persönliche Marotten, Widersprüche, Selbstzweifel, familiäre Konflikte – also all das, was der filmischen Umsetzung einer Lebensgeschichte ihre Komplexität und Tiefe geben würde, sind da nicht angemessen, und so musste Luc Besson nach Johanna von Orleans mit Milla Jovovich in der Hauptrolle wohl oder übel wieder eine Hagiografie inszenieren.

Und von Heiligen kann man besser singen als erzählen. Entsprechend lässt Besson seinen Hauskomponisten Eric Serra ständig die orchestralen Turbolader einsetzten. Bei jedem, auch noch so bescheidenen, Sieg jubilierenden die Geigen während bei allen traurigen Szenen die Celli dunkel klagen. Solch eine auffällig manipulative Filmmusik setzt ein Regisseur nur ein, wenn er glaubt, es nötig zu haben.

Dabei erzählt er grundsolide, und man kann vieles über die politische Geschichte Burmas lernen. Am märchenhaft idyllischen Anfang des Films sieht man San Suu Kyi als kleines Mädchen auf dem Schoß ihres Vaters, des Generals Aung San, der sich liebevoll von seiner „Prinzessin“ verabschiedet. Während der folgenden Kabinettssitzung wird er von jenen Putschisten erschossen, die Birma danach in eine Militärdiktatur verwandelten. 1988 kehrt San Suu Kyi, die mit ihrem britischen Mann und zwei Söhnen in Oxford lebt, nach Birma zurück, um dort ihre todkranke Mutter zu pflegen. Als Tochter eines Helden des Landes wird sie schnell zur immens populären Figur der Demokratiebewegung und unter Hausarrest gesetzt. Sechs Jahre lang durfte sie ihr Elternhaus nicht verlassen und obwohl Besson detailgetreu nachgebaut hat, wie das Haus abgesperrt und von den Militärs belagert wurde, gelingt es ihm nicht einmal ansatzweise, deutlich zu machen, welche inneren Verwundungen diese radikale Einengung des Lebenshorizonts mit sich bringen muss. Statt die Klaustrophobie und Isolation spürbar zu machen, springt der Besson ständig zwischen den Handlungssträngen in Birma und England hin und her, wo Suu Kyis Ehemann Michael Aris und ihre Kinder sich darum bemühen, politischen Druck auf das Regime zu erzeugen.

So wird ihr (zumindest im Film) auf seine Initiative hin 1991 der Friedensnobelpreis verliehen, und Besson inszeniert darum herum eine rührende, aber eben nicht tiefer gehende Sequenz, in der Suu Kyi sich bemüht, die von einem ihrer Söhne gehaltene Dankesrede im Radio zu hören. Ähnlich mechanisch wirkt die Dramaturgie des letzten Aktes, in dem vor allem erzählt wird, dass Michael 1999 tödlich an Krebs erkrankt und daran gehindert wird, noch ein letztes Mal seine Frau zu besuchen. Da müssen dann wieder die Cellos wimmern, denn das Drama wirkt auch hier eher blutleer.

Und dies obwohl Besson mit Michelle Yeoh eine Darstellerin gefunden hat, die nicht nur Aung Sa Suu Kyi verblüffend ähnlich sieht, sondern sie auch mit einer sanften Souveränität spielt, die zumindest der charismatischen Wirkung dieser friedlichen Rebellin gerecht wird.