Chinesische Film-Satire „Ufo in Her Eyes“: Außerirdische Hoffnung

„Ufo in Her Eyes“ ist der vergnügliche zweite Spielfilm der chinesischen Regisseurin Xiaolu Guo. Und eine böse Satire über die rasanten Umwälzungen in China.

Szene aus „Ufo in her Eyes“. Bild: pandora

Der Film beginnt mit einer langen, ruhigen Kamerafahrt durch eine grüne Landschaft mit malerischen Bergen und einem Dorf, wo sich die Häuser kauern wie Glucken. Nach einem leidenschaftlichen Stelldichein mit dem Schuldirektor findet die Bäuerin Kwok Yun jedoch einen seltsamen Stein. Sie schaut hindurch, und auf einmal legt sich grelles Licht über das schöne Tal. Karpfen und Würmer winden sich im Morast.

Nichts wird bleiben, wie es war: Die Bäuerin glaubt, ein Ufo zu sehen. Sie wird die Wunden eines mysteriösen Amerikaners versorgen, der wie vom Himmel gefallen scheint und schnell wieder verschwindet. Während Kwok Yun von den kommunistischen Behörden als Heldin inszeniert wird, baut die resolute Ortsvorsteherin das verschlafene Dörfchen in eine Touristenfalle um und katapultiert es in die chinesische Moderne. Wo gerade noch wie im schönsten Dokumentarfilm Fische gefangen und Schweine geschlachtet wurden, schießen plötzlich Ufo-Park, Ufo-Luxushotel und ein Nachbau der Oper in Sydney aus dem Boden.

„Ufo in Her Eyes“, der zweite Spielfilm der chinesischen Regisseurin und Schriftstellerin Xiaolu Guo, ist eine grobe, böse, wilde Satire über die rasanten Umwälzungen in einem großen Land, das derzeit wenig Rücksicht nimmt auf die kleinen Probleme der gebeutelten und zerrissenen Individuen, die es bevölkern – und in dem schließlich doch nur alle einander hauen und stechen, wenn es um das kleine Stück vom großen Kuchen geht.

Regie: Xiaolu Guo

Mit Shi Ke, Udo Kier, Mandy Zhang u.a.

Deutschland 2011

110 Minuten

Verlorenes Paradies

Beeindruckend die Bildersprache des Films, die mit dem Zerfall der Idylle in eine verwirrend kakofonische Vielzahl von Formen findet, für jede der zahlreichen Wirklichkeiten eine andere. Immer wieder blitzen Landschaftsaufnahmen wie die am Anfang auf – Erinnerungen ans verlorene Paradies, das es so vielleicht nie gegeben haben mag. Als ein Polizist aus der Stadt ins Spiel kommt, der die Geschehnisse im Dorf beobachten soll, wird das Bild schwarz-weiß, man hört seine Stimme aus dem Off, sieht ihn aber nie.

Dafür tauchen zu den Gesichtern der Verhörten Infos zu Alter, Beruf und politischer Überzeugung wie Untertitel auf. Ein andermal proben ein paar Tölpel den Bauernaufstand und parallel montiert tanzen in Zeitlupe betrunkene Lokalpolitiker und Bauern mit dem zurückgekehrten Amerikaner, der nun nicht mehr als märchenhafter „Starman“ erscheint, sondern als Allegorie der Kehrseite des amerikanischen Traums.

Die schrille Distanzierung wirkt: Man weiß nicht mehr, woran – und vor allem an wen – man sich halten soll. All das wäre schier unerträglich, wenn sich nicht im Lauf des Films doch eine heimliche Sympathieträgerin herausschälen würde: Es ist die Bäuerin Kwok Yun, die sich in der Mitte des Films vom Schuldirektor abwendet und sich jeder Vereinnahmung entzieht. Sie verliebt sich in einen vertriebenen Wanderarbeiter, der die Räder der Dorfbewohner flickt und sich selbst am Rand, wo auch Luxushotels nichts daran ändern, dass Hopfen und Malz verloren ist, verachten lassen muss.

Undurchsichtiger Charakter

In der Figur Kwok Yuns erinnert Xiaolu Guo noch am meisten an ihren Debütfilm „She, a Chinese“, mit dem sie 2009 den Goldenen Löwen gewann. Wie damals die junge Li Mei, die ihr Heimatdorf verlässt und nach London geht, wird auch Kwok Yun ein zunehmend undurchsichtiger Charakter mit unbewegtem Gesicht, an deren Gefühlen man immer weniger teilhaben kann, die aber gerade deshalb so sympathisch wirkt.

Scheint sie anfangs noch mit ihrer Arbeit und ihrem Großvater verbunden, entfremdet sie sich zunehmend von ihrem Umfeld. Nicht der Amerikaner, Kwok Yun ist die einsame Außerirdische, in der ein Funken Hoffnung wohnt.

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