Nicht Delikatesse, sondern Lebensmittel

ZUGANG 14 Prozent der Osnabrücker gelten als sozial schwach. Der Verein „Kultur für alle“ will ihnen mit einem Kulturpass ermöglichen, künftig für einen Euro Eintritt kulturelle Angebote zu nutzen

„Die Karte ändert nichts am Grundproblem der zu niedrigen Hartz-IV-Sätze“

Ulrich Rückin, Arbeitslosenselbsthilfe Osnabrück

Ein Plastik-Kärtchen namens „Kukuk“ soll künftig sozial schwachen Menschen in Osnabrück den Zugang zu Kulturveranstaltungen ermöglichen. Initiator ist der Kommunikationsdesigner Max Ciolek. Für ihn ist Kultur „ein Lebensmittel, das die Menschen an ihr Menschsein erinnert“. Vorbild der Aktion ist der „Kulturpass“ in Frankfurt am Main: Damit können Erwachsene für einen Euro und Kinder für fünfzig Cent fast 200 verschiedene Kulturangebote nutzen.

„Kukuk“ steht für Kunst-und-Kultur-Unterstützungs-Karte und ist das Ergebnis eines Wettbewerbs, den Cioleks Verein „Kultur für alle in Osnabrück“ (KaOS) abgehalten hat. Im kommenden Herbst soll Kukuk an den Start gehen, auch der Verein wartet noch auf seine Anerkennung als mildtätig. Ciolek mag den Namen Kukuk, „weil er offen lässt, wer hier wen unterstützt: Ist es die Kultur, die profitiert, oder sind es die Bedürftigen?“

Es gebe doch „immer mehr kulturelle Einrichtungen“, habe er beobachtet, die Rezipienten aber blieben „stets die gleichen“, sagt Ciolek – „und das liegt daran, dass viele Menschen sich die Eintrittspreise einfach nicht leisten können“. Daran ändere auch der „Osnabrück-Pass“ wenig, den es schon jetzt beim städtischen Fachbereich Soziales gibt. Zwar verschafft auch er Rabatte, und das auch für Kultureinrichtungen. „Aber auch die ermäßigten Preise“, so Ciolek, „liegen oft noch bei über zehn Euro.“

„Im Hartz-IV-Regelsatz sind aktuell 4 Euro 52 im Monat für kulturelle Teilhabe vorgesehen“, sagt Ulrich Rückin vom Verein Arbeitslosenselbsthilfe Osnabrück (ASH). Der existierende Osnabrück-Pass gelte für wenige, ausgewählte Angebote. „Wir möchten die Menschen aber selbst entscheiden lassen, ob sie ins Kino oder lieber ins Theater wollen“, sagt Max Ciolek.

Der Pass soll nicht einfach „ausgegeben“ werden, sondern für einen Euro verkauft, wobei es wichtig sei, „nicht in eine Sozialamts-Atmosphäre zu geraten“. Deshalb will Ciolek Kukuk selbst vertreiben – „es sei denn, der Andrang wird zu groß“. Ganz abwegig ist die Vorstellung nicht: In Frankfurt nutzen mittlerweile 5.000 Menschen den dortigen Kulturpass.

Für Rita Maria Rzyski, Stadträtin und Kulturdezernentin, ist Kukuk „eine prima Ergänzung der bereits bestehenden kommunalen Angebote“. Darauf hätten 22.500 Osnabrücker Anspruch, das entspricht einem Bevölkerungsanteil von 14 Prozent. Die Frage, warum erst eine Privatinitiative kommen muss, um kulturelle Teilhabe zu ermöglichen, wundert sie: „Eine Kommune ist doch nicht omnipotent!“ In erster Linie sei es doch toll, dass es Menschen wie Max Ciolek gebe, den sie gerne unterstützen wolle, sagt Rzyski. Einzelne könnten außerdem viel schneller handeln.

Das sieht Ciolek genauso: „So eine Initiative klappt nur mit flachen Hierarchien und guten Kontakten.“ Die hat er, so scheint es: Das Theater Osnabrück, das Kulturzentrum Lagerhalle, das Unabhängige Filmfest, das European Media Art Festival und das Kammermusikfestival „Classic con Brio“ haben bereits ihre Teilnahme zugesagt.

Natürlich wird Ciolek auch von der Arbeitslosenselbsthilfe unterstützt. „Aber diese Karte funktioniert nach dem Prinzip der Tafeln“, sagt Ulrich Rückin: „Sie ändert nichts am Grundproblem der zu niedrigen Hartz-IV-Sätze.“ Das ist auch Ciolek klar: „Leider ist die Situation momentan nun mal so.“ SCHN