DIE ACHSE DES HOUSE VON TIM CASPAR BOEHME
Paradiesvögel

Die Veröffentlichungen des House-Labels Nu Groove gehörten zu den ersten Platten, die im Berliner Techno-Plattenladen „Hard Wax“ erhältlich waren, wie sich in der Berlin-Techno oral history von Felix Denk und Sven von Thülen, „Der Klang der Familie“, nachlesen lässt.

Zwar lagen die Epizentren für House in den Achtzigern in Chicago und Detroit, doch das 1988 in New York gegründete Label Nu Groove entwickelte sich in den fünf Jahren seines Bestehens zu einer Adresse für Paradiesvögel. Seinen Erfolg verdankte das Label auch den Zwillingen Rheji und Ronald Burrell, die von Anfang an den künstlerischen Kern von Nu Groove bildeten und unter Pseudonymen wie Metro, K.A.T.O., Tech Trax Inc. oder The Utopia Project den Klang von New York Garage definieren sollten.

Ihr Gospel-Hintergrund und ihre Erfahrung als R & B-Produzenten trugen wesentlich zur deepness und zum trockenen Funk bei, der charakteristisch ist für ihre Tracks, die oft mit rudimentären technischen Mitteln entstanden. Das Amsterdamer Label Rush Hour hat jetzt eine Auswahl der schönsten Burrell-Tracks wiederveröffentlicht. Und die klingen heute immer noch so beseelt, elektrisierend und dreckig wie vor 20 Jahren

The Burrell Brothers: „The Nu Groove Years“ (Rush Hour/Groove Attack)

Meisterkoch

Seit sechs Jahren erfreut der im beschaulichen Galway beheimatete irische Produzent John Daly die Clubs dieser Welt mit seinen Schallplatten, auf denen er die sanfteren und sphärischen Seiten von House zelebriert, um seine Hörer auf eine große Reise mitzunehmen. Daly zeigt dabei keine Scheu vor dem Glitzern von Disco, den sehnsuchtsvollen Schwelgereien von Deep House oder den entspannten Rhythmen des Balearic Beat.

Doch statt sich im originalgetreuen Rekonstruieren dieser Vorlagen zu verbasteln, greift der 34-jährige John Daly auf seine verschiedenen Einflüsse lediglich als Zutaten zurück, reduziert und verfeinert sie, bis aus seinen traditionsbewussten Produktionen ein echter Daly geworden ist. Auf seinem zweiten Album „Sunburst“ hat er diese Strategie so weit perfektioniert, dass ihm kleinste Gesten und Melodieschnipsel genügen, um daraus große Landschaftsgemälde zu zaubern. Dass sich Daly in seinem Studio mittlerweile auch altgedienter analoger Synthesizer bedient, verstärkt die freundliche Atmosphäre seiner Tracks noch einmal: Man möchte fast glauben, Mensch und Natur seien tatsächlich im Einklang.

Und dass der irische Musiker die Hälfte der Woche als Koch arbeitet, scheint ihm auch nicht weiter zu schaden. Wer weiß, vielleicht inspiriert ihn das Zubereiten von Speisen ja sogar im Studio.

John Daly: „Sunburst“ (Drumpoet Community/Groove Attack)

Senkrechtstarterin

Die Karriere der 24-jährigen Londonerin Maya Jane Coles verlief bisher in Richtung oben. Seit ihrem Cluberfolg mit dem Track „What They Say“ von 2010 machte sie sich in kurzer Zeit einen Namen als DJ und Musikerin, das britische Dancemagazin DJ Mag erklärte sie 2011 zur Newcomerin des Jahres. In wenigen Monaten könnte ihr Aufstieg dann einen ersten Höhepunkt erreichen, wenn ihr Debütalbum in die Plattenläden kommt.

Die Zeit des Wartens kann man sich jetzt schon einmal mit ihrem vorab auf CD veröffentlichten Mix-Album für die Reihe „DJ-Kicks“ vertreiben. Und die gibt einen repräsentativen Einblick in die Vorlieben der Künstlerin, auch wenn unter den 22 Track lediglich zwei von ihren eigenen Stücken auftauchen. Der vorherrschende Stil ist melodischer Deep-House, in dem es reichlich Stimmen zu hören gibt, die übrigen Klänge sind klar und übersichtlich. Richtig dreckig wird es selten, nur an einer Stelle lässt sie überraschenderweise Gitarren losschrammeln.

Die Kombination von Gesang und kühler Aufmachung gelingt Coles dabei so elegant wie in ihren eigenen Produktionen, die immer ein bisschen auf Ohrwurm gebürstet scheinen, aber mit genügend digitalen Chromoberflächen ausgestattet sind, um zu verhindern, dass es zu kuschelig wird.

Maya Jane Coles: „DJ-Kicks“ (K7/Alive)