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: Viel wird geschwiegen

„Las Acacias“. Regie: Pablo Giorgelli, Argentinien 2011. Bei Amazon erhältlich

Über die Akazie lässt sich das Folgende sagen: „Ihr Holz ist schwer und hart mit entsprechend guten Festigkeitswerten, die deutlich über denen der Eiche liegen; es ist schwer spaltbar, zäh und elastisch sowie gut biegbar. Einmal getrocknet, besitzt das Holz ein gutes Stehvermögen. Die Trocknung verläuft sehr langsam.“ Also ist die Akazie ein fürs Dauerhafte geeignetes Holz.

Sie gibt dem Debütfilm des Argentiniers Pablo Giorgelli im Plural den Titel. Tatsächlich werden am Anfang, nach einem lange stehen bleibenden Bild im Wald Richtung Himmel, Akazien gefällt. Das ist mit Abstand die gewaltigste Aktion in diesem Film, der selbst von einer akazienhaften Ausdauer ist. Die Bäume werden zersägt, die Stämme auf Laster geladen und damit setzt sich eine Geschichte in Bewegung. Die Geschichte ist klein, intim, kaum mehr als fahrerhausgroß.

Es ist eine einfache Geschichte, leicht nachzuerzählen, weil sich der Film aber Zeit nimmt und ein Auge fürs Detail hat, ist „Las Acacias“ dennoch nicht simpel. Einen der Lkws fährt Rubén (Germán da Silva), der männliche und schon auch recht akazienhafte Protagonist, er fährt von Paraguay, wo die Bäume gefällt werden, über die Grenze nach Argentinien, in die Hauptstadt, nach Buenos Aires. Das heißt: Erst einmal fährt er noch nicht, sondern wäscht sich auf einem Rastplatz, zündet sich eine Zigarette an und wartet, man weiß nicht worauf.

Erklärt wird hier nichts, dafür mit großer Aufmerksamkeit gezeigt. Es taucht eine Frau auf, Jacinta (Hebe Duarte), mit Reisetaschen und einem Kind. Rubén, der sichtlich ein Mann ist, der an seinem Fahrerjob das Alleinsein auf der Fahrt durch einsame Landschaften schätzt, nimmt sie mit. Seine Idee war es nicht, der Chef hat’s befohlen.

Viel wird geschwiegen zwischen den beiden auf dem Weg in die Hauptstadt, es ist Tag, es wird Nacht und wieder Tag. Die Kamera blickt vorzugsweise seitwärts beim Fahren, zeigt ihn im Profil, zeigt sie im Profil, gemeinsam sind sie in der Fahrerkabine kaum je im Bild. Er trinkt Mate, sie blickt nach draußen.

Die Landschaft zieht vorbei, bleibt verschwommen und wird durch die Außenspiegel, die groß sind und in der Mitte des Fensters, verdoppelt – ein eigentümlicher Brechungseffekt, der eines noch klarer macht: Dies mag zwar auch ein Roadmovie sein, aber der Blick geht vor allem nach drinnen, um die Straße und alles, was am Wegesrand liegt, geht es nicht, auch wenn es wichtig ist, dass das alles da ist und dass die Zeit auch recht lang wird auf so einer Fahrt.

Kleine Freundlichkeiten

Wichtiger aber ist dem Film die Intimität, die in der recht langen Zeit im sehr engen Raum entsteht, eine Annäherung, die in kleinen Freundlichkeiten, kaum in Worten zum Ausdruck kommt: Er bietet ihr seinen Mate an, raucht nicht mehr, weil das Kind zu husten beginnt, beruhigt das Mädchen dann mit dem silbern glänzenden Deckel seiner Thermoskanne. Jacinta wiederum wartet mit ihm am Ufer des Wassers, sie haben einen Abstecher gemacht, bis seine Schwester, die auf dem Weg wohnt, nach Hause kommt. Rubén hat seiner Schwester einen DVD-Player gekauft, von Philips, als Geschenk. Beim Warten am Ufer gesellt sich ein Hund zu ihnen, einfach so, ein eigentümlich inniges Bild.

Zwei große Menschen und ein kleiner kommen sich auf einer langen Fahrt näher. Das ist alles. Wer sie sind, erfährt man vor allem durch das, was man sieht. Jacinta sagt mehrfach: Es gibt zur Tochter keinen Vater. Rubén hat einen Sohn, doch er hat ihn seit acht Jahren nicht mehr gesehen. Viel mehr als das weiß man nicht. Und kennt die beiden am Ende doch recht genau.

„Las Acacias“ ist ein einfacher Film, aber die Festigkeitswerte sind gut. EKKEHARD KNÖRER