Hier ist einiges anders

PROTESTKULTUR Simon Akstinat ist lange durch Kreuzberg gezogen und hat „linke“ Plakate fotografiert: Ein völlig überflüssiges Buch

Der Eindruck, den die meisten Bilder vermitteln, ist verheerend und macht schlechte Laune

VON DETLEF KUHLBRODT

Manche Bücher nerven auf den ersten Blick. Fast alle Bücher von Satirikern und Politikern etwa. Das Fotobuch „Wir sind die Guten“ von Simon Akstinat gefällt mir auch überhaupt nicht und ist völlig überflüssig. Simon Akstinat ist ein satirischer Autor. Er hatte z. B. das Buch „Marx und Engels intim“ geschrieben, das als Hörbuch von Harry Rowohlt und Gregor Gysi eingesprochen wurde, wie das Internet weiß.

Vor zwei Jahren zog Akstinat nach Berlin. Monatelang ist er durch Friedrichshain-Kreuzberg gegangen und hat sogenannte linke Plakate, vor allem der Antifa, fotografiert. Dann hat er die Bilder thematisch geordnet (Gentrifizierung, Atomkraft, Deutschland usw. usf.) und die Fotos in einem kleinen Fotoband versammelt.

Fotografisch ist das nicht sonderlich interessant. Die Fotos bilden lediglich die Plakate ab; man sieht nicht die Umgebung, in der sie gemacht sind, sondern nur diese meist eher unangenehmen bis widerwärtigen politischen Plakate. Eines zur WM, Thema „the Spirit of 45“, auf dem Frank Rijkard Rudi Völler bespuckt mit der zustimmenden Unterschrift „Love Football – Hate Germany“, diverse Plakate mit brennenden Autos und originellen Unterschriften wie „Plündern – den Luxus gönn ich mir“, die das besetzte und dann geräumte Haus in der Liebigstraße unterstützen wollen, die typischen Kriegs-Actionbilder mit dem tollen einzelnen Straßenkämpfer vor einer Vielzahl von Polizisten in Kampfanzügen. „Klasse gegen Klasse“, „Smash Capitalism“, „Nazis Bullen und Securitys angreifen“.

Ein besonders widerliches Antifa-Plakat mit einem Polizistenkopf im Fadenkreuz und der Unterschrift „Polizisten sind auch nur Schweine“, ein anderes, komplett gestörtes, das allerdings nicht von der Antifa stammt, mit der Aufforderung „Touristen Face-Fisten“. Ein fast rührendes Plakat, mit dem sich die Organisatoren einer unangemeldeten Carlo-Giuliani-Gedenk-Demo bei den Anwohnern für deren Unterstützung bedanken und sich für die Böller entschuldigen, die manchmal zu nah an Passanten explodiert sind. Nur selten gibt es lustige Plakate wie die der berühmten Hedonistischen Internationale für „Koksen, Kotzen, Kommunismus“ oder ein anderes – „gegen Deutschland für hedonistischen Communismus“, auf dem das Filmbild eines Schauspielers aus einem 60er-Jahre-Film auf die Frage, welcher Nationalität er angehöre, antwortet: „Ich bin Trinker.“

Der Eindruck, den die meisten Bilder vermitteln, ist verheerend und macht schlechte Laune. Die Bilder denunzieren sich selbst. Das Buch nervt, weil der „Autor“, Simon Akstinat also, darauf verzichtet und vermutlich auch nicht fähig ist, etwas zu den Bildern zu sagen. Es gibt lediglich ein eine Seite langes Vorwort, in dem Friedrichshain-Kreuzberg auf eine sehr unangenehme Art exotisiert wird: „Hier ist einiges anders als anderswo: Hans-Christian Ströbele errang das bundesweit erste Direktmandat für die Grünen, es gibt besetzte Häuser und sogar letzte Refugien der weitgehend ausgestorbenen Punks. […] Zudem gibt es eine so hohe Dichte an politischen Plakaten und Aufklebern wie in keiner anderen Gegend Europas.“ Als Kreuzberger würde ich das bezweifeln.

Vor allem scheint mir die Auswahl der Plakate nicht wirklich repräsentativ zu sein. Die lustigen sind unterrepräsentiert, die Plakate der Partei „Die Partei“ oder die der Piraten fehlen völlig, die Forderungen nach der Legalisierung von Hanf sind auch nicht vertreten. Obgleich an vielen Häuserwänden in Kreuzberg und auch im Friedrichshain von Hanf die Rede ist. Das historische und politische Umfeld, in dem die Plakate entstanden sind, interessiert Akstinat nicht. Was er über die Antifa sagt, ist schlichtes Vorurteil: „Ironischerweise leben deren Aktivisten aber oft genau von dem Staat, den sie bekämpfen, und stammen meist aus gutbürgerlich-behüteten Verhältnissen.“

„Ich hoffe, dass auch Sie über diese Fotos staunen und schmunzeln können“, schreibt Akstinat. Schmunzelnd denkt man an einen Satz von Rainald Goetz: „Die Feinde meiner Feinde sind auch meine Feinde.“

■ Simon Akstinat: „Wir sind die Guten“. Edition Braus, Berlin 2012, 90 S., 145 Abb., 14,90 Euro