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Messies, ein schönes Chaos Schweiz 2011, R: Ulrich Grossenbacher

„Sammelsucht“ wäre wohl das passende deutsche Wort für diese Krankheit, die erst in den letzten Jahren öffentlich bekannt geworden ist und entsprechend mit dem angelsächsischen Namen benannt wird. Und da dies eine peinliche, für viele ekelerregende Besessenheit ist, wird sie gerne voyeuristisch in den Boulevardmedien vorgeführt. In diesem Dokumentarfilm aus der Schweiz (keine Angst, es gibt Untertitel) versucht Ulrich Grossenbacher, ernsthaft und mit viel Empathie herauszufinden, was einige Menschen (etwa zwei Prozent der Bevölkerung) dazu bringt, so exzessiv etwas zu sammeln, dass dadurch alle anderen Aspekte des Lebens meist negativ beeinflusst werden.

Grossenbacher hat über einen langen Zeitraum vier Messies mit seiner Kamera begleitet. Zum Teil tragen sie sogar selber eine Kopfkamera, um das Ausmaß ihrer Obsession zu zeigen, denn ihre Wohnungen sind so vollgestopft mit ihren Sammlungen, dass ein Kamerateam dort gar nicht mehr hineinpassen würde. „Das ist wie Bergsteigen, dabei trainiert man alle Muskeln“, sagt etwa Elmira, die alle Räume ihrer Stadtwohnung so mit Zeitungen, Büchern und Stapeln von Tonband-Kassetten voll geräumt hat, dass sie nur mit Mühe in ihr Bett oder ihre Küche kommt. Sie darf keine Kultursendung im Radio verpassen und kann sehr reflektiert über ihre Krankheit sprechen. „Your order is not in order“ hat ein englischer Freund ihr einmal gesagt.

Thomas ist ein Tüftler, der Geräte aus dem Schrott repariert oder mit den Teilen neue Apparate baut. Arthur ist ein Bauer, der seinen Hof mit Autos, Traktoren, Baggern und Lastwagen vorgestellt hat. Da ein Wanderweg an seinem Grundstück vorbeiführt und die Touristen diesen Schandfleck in der Landschaft nicht sehen sollen, versucht die Gemeindeverwaltung, ihn zur Räumung zu zwingen. Inzwischen hat er ein Urteil vom Bundesgericht: „dass man aufräumen muss“.

Aber da sein Herz an jedem verrosteten Motor hängt, muss bei einer vermeintlich letzten Räumung die gesamte Amtsgewalt vor seinem Starrsinn kapitulieren. Das ist auch komisch, aber Grossenbach missbraucht nie das Vertrauen, dass seine Protagonisten ihn ihn gesetzt haben, indem er sie lächerlich dastehen lässt.

Tragisch ist dagegen der Fall des Theaterrequisiteurs Karl. Dieser hat zwar aus seiner Sammelwut eine Profession gemacht, stellt aber seine Lebensräume so mit Dingen voll, dass daran seine Ehe zu zerbrechen droht. Nach 40 Jahren stellt ihm seine Frau ein Ultimatum, und wir sehen ihn weinend vor ein paar aussortierten Dingen: „Ich mach mich kaputt, ich kann das doch nicht wegschmeißen“, schluchzt er. So verlässt ihn seine verzweifelte Frau und der Film endet mit dem (nach all den mit Dingen gefüllten Räumen) schockierend leeren Zimmer in ihrer neuen Wohnung. „Messies, ein schönes Chaos“ läuft Do & Di um 18 Uhr, Mo, 20.30 Uhr (mit einer Einführung von Peter Lüchinger / Shakespeare Company) & Mi um 20.30 Uhr