Am besten laut und lallend

NOTIZBUCH Zwei Lektürehinweise zum heutigen Bloomsday

Der 16. Juni ist natürlich der berühmteste Tag der Welt. Nicht nur in Dublin, auch in Berlin, Sydney oder New York feiert man alljährlich den feuchtfröhlichen Bloomsday, der klassischerweise mit gebratener Schweineniere beginnt und meist mit Ferkeleien endet – in Dublin am Strand von Sandymount. Hier wurde James Joyce von seiner späteren Frau Nora entjungfert, heißt es.

Der Bloomsday als Sauftour. Klar, dass diese Tradition auf Joyce selbst zurückgeht, ein Gelage, zu dem er am 16. Juni 1929 auch Samuel Beckett einlud, der sich später mit der Übersetzung von „Finnegans Wake“ abmühte. Stanislaus Joyce nannte dieses Opus magnum „sabberndes Gefasel“ und rätselte über eine „beginnende Hirnerweichung“. Denkbar, musste er seinen großen Bruder doch regelmäßig volltrunken aus der Gosse ziehen, wenn „Jim“ mal wieder die Familienkasse verzecht hatte.

Einen Einstieg in den Finnegan-Kosmos bilden die aus dem nahezu unübersetzbaren Werk extrahierten „Geschichten von Shem und Shaun“, die auf einem Schriftstellerstreit zwischen Joyce und Wyndham Lewis basieren. Beide hatten sich bei Sauftouren in Paris kennengelernt. Erstaunlich hier die Nähe von Sprach- und Alkoholrausch. Doch Vorsicht, nicht überall wo Joyce draufsteht ist auch Joyce drin. Kalauer wie die Verschmelzung von Guinness und Genesis – „as we read in the first chapter of Guinness’s“ – war wohl schon vor Joyce gängig. Auf viele solche Dinge macht der Joyceianer Fritz Senn in seinem Buch „Noch mehr über Joyce“ aufmerksam, dessen Titel wieder Saufassoziationen weckt: „Einer geht noch, einer geht noch rein.“ Am Bloomsday wird spätestens nach dem dritten Guinness jeder zum Iren. Der richtige Moment, um Joyce zu lesen. Am besten laut. Und lallend. TOBIAS SCHWARTZ

James Joyce: „Geschichten von Shem und Shaun“. Suhrkamp, Berlin 2012, 103 Seiten, 17,95 Euro ■ Fritz Senn: „Noch mehr über Joyce“. Schöffling, Frankfurt/M. 2012, 324 Seiten, 22,95 Euro