Ein Brite pilgert zur Musik

BAYREUTH In „Wagner and Me“ von Patrick McGrady unternimmt Stephen Fry eine britische Bildungsreise zum Heiligtum von Richard Wagner und müht sich dabei mit dessen „anderem Fan“ Adolf Hitler ab

VON WILFRIED HIPPEN

Der Filmtitel mag auf den ersten Anschein ein wenig anmaßend klingen, ist dann aber doch passend gewählt, denn tatsächlich geht es hier um das widersprüchliche Verhältnis, das Stephen Fry zu seinem Lieblingskomponisten entwickelte. Als Jude, der viele Mitglieder seiner Familie während des Holocausts verloren hat, muss Fry seine Liebe zur Musik von Richard Wagner oft hinterfragt haben, und dieses komplizierte Verhältnis wird in „Wagner and Me“ sehr intelligent und einfallsreich untersucht.Schon in einer der ersten Sequenzen der Dokumentation verweist Fry auf „den anderen“, der auch Wagner liebte, und dazu wird zu historischen Aufnahmen von Adolf Hitler in Bayreuth geschnitten.

Zu den dortigen Festspielen pilgert auch Fry in diesem Film. Im Jahr 2009 begleitete das Filmteam des Regisseurs Patrick McGrady den Schauspieler, Komiker und Schriftsteller nach Bayreuth, wo er in den Wochen vor dem Festival hinter die Kulissen blicken durfte.

Die Kamera folgt dabei immer ihm, wenn er sich etwa leise in eine Probe der Sängerinnen einschleicht, die die Gesänge der Walküren schmettern, oder ein kurzes Gespräch mit der Wagner Enkelin Eva Wagner-Pasquier führt. Wie ein jugendlicher Fan wendet er sich nach dem Händedruck zum Abschied begeistert zur Kamera hin und verkündet, welch eine Ehre es für ihn war, von einer Wagner berührt worden zu sein.

Es sind solche Momente, in denen Fry sein komödiantisches Talent voll ausspielt. So viel wie hier wird nur sehr selten über Wagner gelacht. Als ein kultivierter und sehr belesener Wagner-Kenner vermittelt er in seinem angenehm lockeren, selbstironischen Plauderton viele Informationen über den Komponisten und den Kult um ihn. Dabei ist seine Begeisterung immer wieder zugleich selbstironisch gebrochen und mitreißend, wenn er etwa ein paar Töne auf dem Piano anspielt, dass Wagner selber gespielt hat, oder wenn er sich auf den Dirigentensitz im Orchesterboden des Festspielsaals in Bayreuth setzen darf.

Durch seine kluge Moderation und entspannte Spontanität vor der Kamera gelingt es ihm, auch solche komplizierten Details wie den Tristan-Akkord klar und erstaunlich unterhaltsam (mit dem von ihm falsch gespielten Ton als Pointe) zu vermitteln.

Er reist zu den wichtigsten Punkten von Wagners Karriere, besucht den legendären Dirigenten Valery Geriev im Mariinsky Theater von Petersburg, der ihm erklärt, warum Wagner auch das russische Publikum so fasziniert. Er fährt in die Schweiz, wo er jene Landschaften findet, die Wagner zu seinem Ring inspiziert haben und er läuft durch das Schloss Neuschwanstein, das Wagners Förderer Ludwig von Bayern im Grunde als eine königliche Kulisse für die von Wagner geschaffenen Mythen bauen ließ.

Und immer wieder kehren Fry und der Film dahin zurück, wo es wehtut: zu der Verbindung von Wagner und dem deutschen Faschismus. Fry besucht die Reste des Parteitagsgeländes von Nürnberg, wo heute Touristen auf der Empore für Fotos posieren, von der aus Hitler seine Reden hielt.

Auch hier überzeugt seine Mischung aus klugem Kommentar und der persönlichen Reaktion auf den Ort (er kann es nicht über sich bringen, selber die Empore zu betreten). Ein weiterer emotioneller Höhepunkt des Films ist Frys Besuch bei der Auschwitz-Überlebenden Anita Lasker-Wallfisch, die im Lagerorchester Cello spielte. In gewisser Weise gibt sie Fry die Absolution für seine Leidenschaft.

Der Film ist so durchtränkt mit Wagners Musik und Frys Liebe zu ihr, dass diese Begeisterung ansteckend wirkt. Eine schöne, kluge, tiefe und sehr musikalische Liebeserklärung.