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: Der Fußball-Flaneur

Der Russe Denisov versucht es mit einem Distanzschuss

Russland spielt gegen Griechenland, Polen gegen Tschechien. Die zweite Halbzeit werde ich mir beim Flanieren anschauen. Es ist eine laue Sommernacht in Prenzlauer Berg. Auf den Straßen der süße Duft der Lindenblüten. Zur blauen Stunde Fußballgeräusche aus den Flachbildschirmen vor den Restaurants und Bars.

Beim Spanier in der Ystader Straße sitzt ein stilles Publikum. 48. Minute: Der Pole Polanski bekommt die Gelbe Karte. Es steht immer noch 0:0, und die Griechen führen immer noch mit 1:0 durch das Tor von Karagounis. In der Cantianstraße fiepsen die letzten Mauersegler, während die Fledermäuse ihre Reise durch die Nacht beginnen. In einer deutschen Sportbar werden beide Spiele gleichzeitig übertragen. Arbeiterpublikum mit Bier und Großbildleinwand. 57. Minute: Der Russe Denisov versucht es mit einem Distanzschuss aus etwa 24 Metern in zentraler Position. Der Linksschuss streicht nur knapp rechts am Tor vorbei.

Auf der Schönhauser Allee ein Döner-Imbiss, es riecht nach Fett. Die Gäste starren blutleer in den kleinen Fernseher in der Ecke. Weiter zu einem Kiosk mit Che-Guevara-Poster. Ich höre bereits den Torschrei, sehe nur noch die Wiederholung. 72. Minute: Konter für Tschechien. Baros bedient Jiracek im Strafraum. Der Wolfsburger lässt einen Verteidiger aussteigen und schiebt ins rechte Eck ein.

Die U2 rattert auf der Hochbahn Richtung Alexanderplatz. An der Ecke Eberswalder Straße bleibe ich bei einem griechischen Restaurant hängen. Das griechische Personal und einige russische Gäste feuern ihre Mannschaften an. Die Russen drängen auf den Ausgleichstreffer, es wird viel Ouzo getrunken. Und dann ist es aus. Die Griechen liegen sich freudestrahlend in den Armen, die Russen sind unglücklich. Und dann sagt der griechische Wirt mit kämpferischer Stimme: Und jetzt schlagen wir euch, die Deutschen!

ALEM GRABOVAC