Die behinderten drei Musketiere

REISE 2 In „Hasta La Vista“ von Geoffrey Enthoven büxen drei Behinderte aus ihrem wohlbehüteten Heim in Belgien nach Spanien aus, weil sie als junge Männer vor allem scharf auf Sex sind

VON WILFRIED HIPPEN

Es klingt wie der erste Satz von einem schlechten Witz: Was machen ein Lahmer, ein Blinder und ein Tumorkranker, um ihre Unschuld zu verlieren? In dem belgischen Roadmovie „Hasta La Vista“ wird diese Frage realistisch durchgespielt. Die drei Helden Philip, Lars und Jozef sind schwerstbehindert und schon über 20, doch mit einer Frau zu schlafen ist für sie der unerreichbar scheinende Heilige Gral. Zwei von ihnen können sich nur im Rollstuhl bewegen, der dritte ist fast blind, und sie verbindet auch deswegen solch eine feste Freundschaft, weil sie von den anderen Menschen so isoliert sind. Es ist nur verständlich, wenn ihre Eltern es mit der Fürsorge für sie übertreiben und so leben sie ein behütetes und langweiliges Leben, bis ein beinamputierter Motorradfahrer einem von ihnen von einem Bordell an der spanischen Mittelmeerküste erzählt, das sich auf Freier mit körperlichen Behinderungen spezialisiert haben soll. Beeindruckend mutig und gewitzt organisieren sie eine Reise dorthin und fast hätten sie ihre Eltern mit der Lüge von einer „Weinreise“ eingewickelt, aber dann macht eine ärztliche Diagnose ihren ersten schönen Plan zunichte, und sie machen sich heimlich auf die Reise.

Dass sie dabei an die ruppige Fahrerin Claude geraten, deren alter Kombi alles andere als ein behindertengerechtes Fahrzeug ist, macht es für die drei nicht leichter. Ihr gegenüber entpuppen sie sich schnell als flämische Snobs aus dem Mittelstand, die glauben, sich bei der wallonischen Pflegearbeiterin sexistische und fremdenfeindliche Beleidigungen herausnehmen zu können, weil sie glauben, sie würde ihre Sprache nicht verstehen. Nach ihrem rauen Erwachen müssen sie sich als erstes mit Claude zusammenraufen, und bald sind ihnen auch ihre Eltern auf den Fersen.

Was für andere Bagatellen sind, entwickelt sich für die drei zu beinahe unüberwindlichen Hindernissen, und Geoffrey Enthoven konzentriert sich ganz darauf zu zeigen, wie sich Philip, Lars und Joszef mit ihren Beschränkungen und Fähigkeiten entwickeln. Dabei vermeidet er geschickt alle sentimentalen oder melodramatischen Untiefen. Er verzichtet auf die Tricks des Gefühlskinos und so wirkt auf dieser Reise nichts geschönt. Gerade dadurch wird der Zuschauer so tief in die Geschichte hineingezogen. Man kommt den drei Jungen und ihrer Pflegerin, die sich immer mehr in eine Freundin verwandelt, sehr nah. Dies ist auch die Leistung von Robrecht Vanden Thoren, Gilles de Schryver und Tom Audenaert, die sie so glaubwürdig verkörpern, dass eine kurze Traumsequenz, in der sie ohne ihre Behinderungen zu sehen sind, seltsam irritierend wirkt.

Auch im letzten Akt schummelt sich Geoffrey Enthoven nicht aus der Affäre. Er wird weder prüde noch voyeuristisch wenn er zeigt, wie es denn drei Jungen bei ihrem Besuch im Bordell „El Cielo“ ergeht. Und wenn sie dabei ganz anders als erwartet über sich selbst hinauswachsen, ist dies die auf vielen Ebenen befriedigende Lösung eines Films, der Freundschaft und Lebenskraft feiert.