Jede Mauer fällt, wenn man nur fest genug zutritt

SOZIOKULTUR Das Projekt „Breaking Walls“ bringt Jugendliche aus Bethlehem, Brooklyn und Berlin für einen Theaterworkshop zusammen

In weißem Shirt und schwarzem Kopftuch betritt eine 16-Jährige die Bühne, ihr Blick fixiert einen Fluchtpunkt im Zuschauerraum, zuversichtlich: „Mauern werden gebaut, um Macht zu demonstrieren. Doch Menschen, die das tun, trennen nicht unsere Völker, sondern grenzen sich bloß selbst aus.“ „Mauer“ und „Brücke“ sind die Schlüsselwörter am Freitagabend im Wolfgang-Scheunemann-Haus in der Bredowstraße. Nach dem einwöchigen Theaterworkshop im Rahmen des internationalen Projekts „Breaking Walls“ präsentieren die 25 Jugendlichen Poesie, Tanz und Musik, die sie selbst schufen und die die eigene Erfahrung wiedergeben: Wie fühlt sich ein Jugendlicher inmitten des Nahostkonflikts, im New Yorker Getto oder an einem der sozialen Brennpunkte Berlins?

Als die amerikanische Regisseurin Fran Tarr im Jahr 2008 ihren Dokumentarfilm „bethlehem to brooklyn: breaking the surface“ drehte, ahnte sie nicht, dass dies der Beginn des wegweisenden Projekts „Breaking Walls“ sein würde. Im Film begleitete sie sozial benachteiligte Jugendliche aus den USA und aus Palästina durch ihren Alltag im Chaos, das sie Heimat nennen. Fran Tarr organisierte Workshops, half den jungen Menschen, ihre Konflikte mit der Umwelt auf dem Papier auszutragen, und führte sie bei einem Treffen zusammen, aus dem ein freundschaftlicher Dialog entstand.

Der Plan eines zweiten Dokumentarfilms nach demselben Konzept vereinigt nun eine neue Generation von jungen Menschen aus Brooklyn und Betlehem, und dieses Mal sind auch Berliner dabei. Eine Woche lang waren Schüler zwischen 12 und 20 Jahren zu Gast in Moabit, wo sie mit Schülern der Nelson-Mandela-Schule eine Theaterperformance vorbereiteten. Der Berliner Filmproduzent Arwa Massarwa, in Israel geboren und aufgewachsen, nahm sich der Organisation vor Ort an; er verspricht sich von seiner Unterstützung, dass Projekte dieser Art mehr Anerkennung erfahren.

Schüsse rauben den Schlaf

In Form von Gedichten und Erzählungen äußern diese jungen Menschen ihre Ängste und ihre Kritik, mal auf Englisch, mal auf Arabisch. Dabei wird jeder erdenkliche Standpunkt zur eigenen Heimat eingenommen: In Bethlehem helfen Fremde einander, als seien sie eine Familie, und gleichzeitig rauben Schüsse und Schreie in der Nacht den Schlaf. In Berlin riecht es nach asiatischem und orientalischem Essen, doch Deutsche und Türken leben aneinander vorbei. In Brooklyn interessiert sich keiner für die Sorgen anderer, doch trifft man sich auf der Straße zum Tanzen und Basketballspielen.

„Es sind nicht die Worte der Bösen, die uns die Freiheit nehmen, sondern das Schweigen der Guten“, verkündet die 16-jährige Palästinenserin in einem Monolog über die Mauer in ihrer Stadt. Berlin sei ein Beispiel dafür, dass jede Mauer fallen könne, solange man nur stark genug dagegen trete. Der „Breaking Walls“-Abend klingt aus mit Anekdoten und Respektbekundungen unter den jungen Darstellern. In Bethlehem werden sie sich wiedertreffen, um einen weiteren Teil des Films zu drehen. Fran Tarr verabschiedet das Publikum: „Guten Abend! Good evening! Salam aleikum!“ FATMA AYDEMIR