KACKE IM HOF
: Versteckte Kamera

Die Nachbarin streckte ihre Arme aus

Seit einiger Zeit fährt der 11-jährige Nachbarsjunge total auf „Versteckte Kamera“ ab. Als mich die 14-jährige Nichte meines Exmannes besuchte, eine Argentinierin, die in den USA lebt und diesen Sommer Deutsch in Berlin lernt, war er fällig. Weil der Nachbarsjunge sie nicht kannte, war sie der ideale Lockvogel. Beim Suchen nach einer Idee fiel mir ein, wie er sich neulich über die Erzählung seiner Mutter von einem betrunkenen Mann beeumelt hatte, der im Hauptbahnhof im Stehen ein großes Geschäft verrichtet hatte.

Um die bescheidenen Deutschkenntnisse des Mädchens zu umschiffen, diktierte ich ihr einen Text, den sie fein säuberlich auf ein Blatt Papier schrieb: „Ich bin taubstumm und habe eine Frage: Ich habe in den Hof gekackt und brauche eine Schaufel. Danke.“ Es dauerte etwas, bis sie sich die Nummer zutraute. Um ihre Tarnung perfekt zu machen, ließ sie einen halben Meter Toilettenpapier aus der rechten Hosentasche hängen. Ich stand hinter dem Türspion und machte mir fast in die Hose, während ich sie beobachtete. Als die Tür gegenüber geöffnet wurde, kam der Vater des Nachbarsjungen, ein Peruaner, heraus. Ernsthaft las er den Zettel vor seiner Nase. „Einen Moment“, sagte er irritiert und wandte sich, in Spanisch, an seine deutsche Frau. Der Lockvogel vernahm die Antwort: „Was??? Ähm, nimm von mir aus eine alte Spielzeugschaufel vom Balkon. Aber ich will sie auf keinen Fall zurück!!!“ Bevor mein Lockvogel zusammenbrach, stürmte ich mit einem lauten „Versteckte Kamera!“ hervor. Die Nachbarin streckte ihre Arme aus, als wollte sie mich erwürgen. Zwei Stunden später wiederholten wir die Nummer. Ich konnte sein verdattert-hilfloses Gesicht nur wenige Sekunden ertragen, stürmte aus meiner Wohnung und fragte ihn, ob er die Sendung mit der versteckten Kamera kenne. Jetzt schwärmt er noch mehr von der Serie. BARBARA BOLLWAHN