Luchterhand will aufklären

NS-ZEIT Erste Reaktionen auf „taz“-Enthüllungen

Hans Altenhein nennt die taz-Enthüllungen über Luchterhand eine „schmerzliche Nachricht“

Die von der „taz“ am vergangenen Samstag enthüllten Machenschaften des Luchterhand-Verlages in den Nazi-Jahren und der frühen Nachkriegszeit haben zu ersten Reaktionen beim Luchterhand Literaturverlag und in der Verlagsszene geführt. Schon am Wochenende hatte der Verleger des Luchterhand Literaturverlages, Georg Reuchlein, eine Rundmail an die Verlagsautoren geschickt. In ihr kündigte er an, sein Verlag, der in der Tradition des Luchterhand-Verlags steht, wolle sich um die Aufklärung der Geschehnisse kümmern.

Anfang der Woche erklärte der Luchterhand Literaturverlag auf der Homepage von Random House, zu dem der Verlag gehört, Luchterhand sei „sehr daran gelegen“, die „bestürzenden und beschämenden Vorgänge in der NS-Zeit rückhaltlos aufzuklären“: „Wir werden uns in den kommenden Wochen darum bemühen, geeignete Wissenschaftler für eine unabhängige Aufarbeitung der Verlagsgeschichte zu gewinnen. Fortschritte und Ergebnisse entsprechender Recherchen werden wir zeitnah öffentlich kommunizieren.“

Der frühere Leiter des Luchterhand-Verlags, Hans Altenhein, sagte in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur, er habe von diesem Teil der Geschichte des Luchterhand-Verlags bis vor Kurzem nichts gewusst. Nun müsse der Luchterhand-Verlag seine Firmengeschichte durch Historiker aufarbeiten lassen. Er bezeichnete die taz-Enthüllungen über das Haus als „schmerzliche Nachricht“. Während seiner Zeit im Verlag in den 1970er und 80er Jahren habe es seines Wissens nach keine Gerüchte über eine problematische NS-Vergangenheit gegeben. Er sei von einer „weißen Weste“ des Verlags ausgegangen, habe aber auch nicht nachgefragt. Es sei klar, dass die gesamte Verlagsbranche nach 1933 den Nazis in der „jüdischen Frage“ gefolgt sei. „Seitdem gibt es da ein Trauma“, sagte er. Die Erfahrung, nicht nur unter Zwang gegen die Juden agiert zu haben, sondern politisch wie wirtschaftlich auch mit „vorauseilender Bereitwilligkeit“, habe zu einer „Schweigespirale“ in der Branche geführt. Altenhein verwies darauf, dass das erste Buch, das dieses Kapitel wirklich aufgearbeitet habe, erst 1993 erschienen sei.

Der Luchterhand Literaturverlag geht nun auch auf seiner Homepage offensiv mit der Affäre um. Eine „Kleine Verlagsgeschichte“ schildert recht ausführlich die neuen taz-Erkenntnisse. Zum Verlagsgründer Hermann Luchterhand und dem langjährigen Nachkriegsverleger Eduard Reifferscheid wird kühl und leicht distanziert notiert: „Über die Jahre von 1933 bis 1945 hieß es nach dem Zweiten Weltkrieg von offizieller Verlagsseite stets, Hermann Luchterhand und Eduard Reifferscheid hätten in kritischer Distanz zum Nationalsozialismus gestanden.“ PHILIPP GESSLER