ZWISCHEN DEN RILLEN
: Präsident für einen Song

Ry Cooder: „Election Special“ (Nonesuch/ Warner)

Als Songwriter in der Tradition eines Woody Guthrie macht Ry Cooder keinerlei Geheimnis daraus, wo er steht mit seinen Liedern

Im März dieses Jahres feierte Ry Cooder seinen 65. Geburtstag. Ry Cooder ist ein Musiker, der schon so einiges gemacht hat, ohne sich dabei wirklich zu verzetteln. In einer vom amerikanischen Rolling Stone 2003 ermittelten Liste der „100 bedeutendsten Gitarristen aller Zeiten“ steht Cooder mit Platz acht in den Top Ten. Erste Aufmerksamkeit erhielt er in den Sechzigern als Gitarrist der Magic Band von Captain Beefheart. Als begehrter Sessionmusiker veredelte er mit seiner Arbeit auch manchen Song der Rolling Stones.

Cooder schrieb etliche Soundtracks, unter anderem für „Paris, Texas“ von Wim Wenders, kniete sich als Wurzelsucher tief in die musikalische Geschichte der USA, und später machte er dasselbe an anderen, entfernten Ecken der Welt, wo man den Blues, den Folk oder Gospel halt mit anderen Namen spielt. Eher nebenbei ist als Folge seiner Zuarbeit zum Buena Vista Social Club ein echter Welthit entstanden. Und jetzt ist dieser Ry Cooder sogar noch der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Wenigstens für ein Lied lang, auf seinem Album „Election Special“. Der Song heißt „Cold Cold Feeling“, in dem sich Cooder in Barack Obama einfühlt und erzählt, wie er unruhig durch das Weiße Haus wandert und dabei bereits die Republikaner an seinen Hacken spürt.

Dann wieder schlüpft dieser einfühlsame Cooder in einem weiteren Song ins Fell eines Hundes, wobei der Halter des Hundes im „Mutt Romney Blues“ nicht wirklich gut wegkommt. Den republikanischen Herausforderer bei der Präsidentschaftswahl in den USA im November dieses Jahres mag Ry Cooder nicht so sehr.

Mit seinem eben erschienenen Album „Election Special“ mischt sich Ry Cooder also dezidiert in den US-Wahlkampf ein. Was, einfach mal auf bundesdeutsche Verhältnisse übertragen, einen doch eher wundern würde, wenn da einer aus der zweiten Reihe, sagen wir mal ein Bernd Begemann (der da schon die richtigen Worte fände), sich ein Album mit den Bundestagswahlen als Thema vornähme. Wahrscheinlich würde man sich in den Feuilletons fragen, ob sich da nicht einer und Deutschland gleich mit dazu ein bisserl arg wichtig nehmen würde. Letztlich ist so ein bundesdeutscher Wahlkampf doch eher ein recht pragmatisches Geschäft, während er in den USA fast schon wie eine letzte Entscheidungsschlacht inszeniert wird, auf die man auch von hier aus staunend und mit leichtem Grusel schaut. Eine Schlacht, mindestens so was wie das Ringen zwischen The Joker und Batman.

Als Songwriter in der Tradition eines Woody Guthrie macht Ry Cooder auch keinerlei Geheimnis daraus, wo er steht mit seinen Liedern: Mitt Romney, Wall Street oder Guantánamo sind definitiv nicht sein Fall. Und das wird alles – der alten Losung von Woody Guthrie folgend, dass man mit seinen Liedern nicht so lang rummachen soll und mehr als zwei Akkorde nur was für Prahlhanse sei – ziemlich geradeaus gesagt in einer mehr zweckmäßigen als filigranen Produktion. Diese wurde im Rahmen eines Familiengeschäfts realisiert: Vater Ry spielte Gitarre, Bass und Mandoline, Sohn Joachim Cooder trommelt dazu. Rumpelnd. Scheppernd. Schlicht und soghaft, was dann ganz wie ein pragmatischer Bruce Springsteen klingt.

Es rummst auch deswegen so gut, weil man „Election Special“ sozusagen stereo hören kann. Einerseits als Kommentar zur aktuellen Lage in den USA von einem Künstler, der sich den alten amerikanischen Traum von Solidarität nicht einfach so wegnehmen lassen will. Und andererseits ist dieses „Election Special“ auch ein Musteralbum, in dem noch einmal die musikalischen Formen präzisiert werden, die ja genau dafür entwickelt wurden in den Weiten Amerikas – für diese Art des Geschichtenerzählens, der Positionsbestimmungen und Beschreibungen eines sozialen Raumes, in dem man auch mit Liedern kommuniziert. Der Blues. Folk. Country. Und auch Rock. THOMAS MAUCH