Triff dich selbst im Zeitparadoxon

SCIENCE-FICTION In „Looper“ lässt Rian Johnson eine Zeitmaschine zu einer Mordwaffe werden, mit der ein Gangstersyndikat der Zukunft seine Leichen in der Vergangenheit entsorgt

VON WILFRIED HIPPEN

In der Kurzgeschichte „25 August 1983“ trifft der Autor Jorge Louis Borges sein eigenes Ich aus der Zukunft. Er behandelt in dem kurzen Text eher die existentialistischen als die logischen Probleme dieses Phänomens, doch in der Science-Fiction wird immer wieder gerne über die Implikationen solch einer paradoxen Situation spekuliert. So wird der von Bruce Willis gespielte Protagonist in Terry Gilliams „12 Monkeys“ als Kind ein Zeuge seines eigenen Todes. Deshalb ist es schon ein Genrezitat, wenn Willis in „Looper“ mit seinem jüngeren Ich am Tisch eines Diners sitzt. Beide unterhalten sich darüber, ob und wie der eine den anderen, also sich selbst, umbringen soll.

Man muss schon einen erheblichen erzählerischen Aufwand betreiben, um solch eine Situation auch nur halbwegs plausibel zu machen, doch genau die Absurditäten der Fabel sind es, die den Reiz des Films ausmachen. Dieser spielt in den Jahren 2044 und 2074. In beiden Zukünften sieht es kaum anders aus als in der US-amerikanische Gegenwart, nur das Shanghai der Zukunft, in dem ein paar Sequenzen spielen, ist halbwegs futuristisch gestaltet.

Eine Technologie für Zeitreisen wurde entwickelt und sofort für illegal erklärt. Nur ein mächtiges Gangstersyndikat nutzt illegal die Zeitmaschine, und dies auf eine eher banale Art und Weise.

In der späteren Zukunft scheint es unmöglich zu sein, die Körper von Mordopfern verschwinden zu lassen, und so werden all jene die die Mafia des späten 21.Jahrhunderts umbringen lassen will, in die Vergangenheit geschickt, wo sie von Profikillern sofort nach ihrer Ankunft erschossen werden. Joseph Gordon-Levitt spielt die jüngere Version von Joe, der als solch ein „Looper“ sein Geld verdient.

Rian Johnson, der auch das Drehbuch schrieb, hat für diese Exekutionen ein faszinierend schräges Bild gefunden: Auf dem Feld einer Farm hat Joe eine große Plastikplane ausgebreitet, vor der er mit einer geladenen Schrotflinte (mit dem schön anachronistischen Namen Blunderbuss) wartet. Sobald sein Opfer mit einem Sack über dem Kopf aus dem Nichts auftaucht, erschießt er ihn und lässt dann die Leiche verschwinden.

Einfacher kann die Arbeit eines Killers kaum sein, doch der Job hat einen Nachteil: Da das Syndikat keine Mitwisser haben will, wird irgendwann einmal der Killer selber aus der Zukunft geschickt, um sich selber mundtot zu machen. Zugegeben, das ist eine hanebüchene, extrem konstruierte Grundsituation, aber in der Science-Fiction war dies schon immer eher eine Qualität als ein Mangel.

Wenn der alte Joe seinem jungen Ich gegenüber sitzt, weiß er natürlich alles, was dieser tun wird. So konnte er ihn bei der Exekution austricksen, aber seit seinem Auftauchen verändert er auch seine Zukunft, so dass er sich erst in dem Moment, wenn eine Handlung ausgeführt wird, an diese erinnern kann. Sein junges Ich kann ihm nicht entkommen, aber es kann ihn überraschen, und mit diesen Möglichkeiten wird hier sehr smart und raffiniert gespielt.

Es gibt zwar auch die gängigen Zutaten eines Genrefilms wie Actionszenen und Schießereien in „Loopers“, aber auch dabei muss man als Zuschauer genau aufpassen, denn ein Detail kann alles auf eine noch kompliziertere Realitätsebene heben.

Rian Johnsons Regiedebüt war der Low-Budget Thriller „Brick“, in dem er eine typische Highschoolstory im Stil eines Film noir inszenierte. Joseph Gordon-Levitt war damals der hartgesottene Erzähler. Auch dort nutzte Johnson die Konventionen und Stilmittel eines altbekannten Genres und stülpte sie konsequent um. Eine seiner Stärken liegt darin, diese Genre-Mixturen mit solch interessanten Figuren zu bevölkern, dass sie dann doch spannende und erstaunlich gut abgerundete Geschichten ergeben.

In „Looper“ spielt Jeff Daniels einen Gangsterboss aus der Zukunft, der die Vergangenheit zu seinem Revier gemacht hat, Paul Dano ist ein Looper, der zu nervös ist, um sich selber zu erschießen und Emily Blunt ist eine starke Mutter, deren Sohn vielleicht in der Zukunft zu einem Massenmörder mit übermenschlich zerstörerischen Fähigkeiten wird.

Johnson findet einen verblüffenden Ausweg aus all den Paradoxien, die solch ein Zeitreisen-Chaos mit sich bringt. Solch ein Schlupfloch wird im Englischen „loophole“ genannt.