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: In einem fernen Spiegel

Die Prinzessin von Montpensier (Frankreich 2010, Regie: Bertrand Tavernier). Ab 15 Euro im Handel erhältlich

Ein Mann, der ein Ideologe und Krieger war, will kein Ideologe und Krieger mehr sein. So zieht er sich aus den Kämpfen zurück. Sein Name ist François de Chabannes, gespielt wird er von einem ergrauten Lambert Wilson. Es ist das späte 16. Jahrhundert, Zeit der Glaubenskämpfe zwischen Hugenotten und Katholiken in Frankreich; die Bartholomäusnacht, das Massaker an den Hugenotten, steht bevor. Dem Film liegt eine historische Erzählung von Madame de Lafayette zugrunde, 1661 erschienen. Den Konstellationen und auch der Ausweglosigkeit dieser Vorlage bleibt Bertrand Tavernier in seinem Historienfilm treu.

Chabannes, der zwischen den Fronten steht, weil er die Zugehörigkeit zu jeder der beiden Seiten verweigert, zieht sich zurück auf das Schloss seines Schülers und Freundes Philippe de Montpensier. Seinen Seelenfrieden findet er dort allerdings nicht. Montpensier ist gerade verheiratet worden, an eine Frau, die einen anderen liebt: Marie (Mélanie Thierry), eine Schönheit, der alle Männer, die sich ihr nähern, verfallen, blond, die Füße auf dem Boden, den Kopf nicht in den Wolken, obwohl sie klug ist und Lyrik zu schätzen weiß, wo diese nicht zu sehr auf den Effekt des Rhythmischen setzt. Die Hochzeitsnacht mit Philippe ist nur technisch gesehen erfolgreich, ihre Mutter, die wie viele andere Zeugen beim ersten Beischlaf anwesend ist, hat sie in sexuellen Dingen nicht unterrichtet. Marie liebt diesen schmächtigen Mann nicht, der sie seinerseits zur Liebe nicht zwingt, auch wenn ihn bald rasende Eifersucht befällt.

Sie liebt auch Chabannes nicht, der sie das Schreiben und manches andere lehrt und dessen eigene Liebe zu Marie bis zum letzten Atemzug groß und unerfüllt bleibt. Marie hat den großen und narbigen Krieger Henri de Guise geliebt, ja ihm die Ehe versprochen, und nur auf gewaltigen Druck des Vaters dies Versprechen gebrochen.

Henri sich aus dem Kopf zu schlagen versucht sie. Philippe ein Lächeln zu schenken ist sie bemüht. Chabannes bekennt ihr seine Liebe. Ich werde diese Worte vergessen, gibt sie zurück. Auch Anjou, den eher metrosexuell-eleganten Bruder des Königs, der ihr den Hof macht, hält sie auf Distanz; dann geht er als neuer König nach Polen.

Nach allen Regeln der Kunst ist „Die Prinzessin von Montpensier“ als Historienfilm inszeniert, mit fliegenden Hufen und Mänteln, mit Schwertergeklirr und höfischem Leben. Philippe Sarde tut als Komponist mit großem Orchester das Seine dazu, aber nie so, dass er dem Zuschauer vorschreibt, welches Gefühl sich im Herzen jeweils einstellen sollte. Es ist dies auch eine schwierige Frage, denn Marie, die alle verwirrende Heldin, bleibt bis zum Ende opak – für sich selbst nicht zuletzt. Sie bewegt sich vor und zurück, ihr Herz tut Dinge, die sie nicht versteht, ohne dass sie darüber je außer sich geriete. Es ist, als schlüpfe in ihr ein neuzeitliches Subjekt in die Welt, das für seine ganzen emotionalen Kompliziertheiten noch keine Sprache, keine Reflexionsebene, keine Ausdrucksform hat. So entfaltet sich das Drama einer Liebe als Passion auf der Suche nach der passenden sozialen Semantik.

Es ist schön, wie Tavernier das durchbuchstabiert, ohne auf die allzu etablierten Formen des Liebesmelodrams zu verfallen. Seine Heldin bleibt sich, ihm, den sie liebenden Männern und uns beunruhigend fremd. Man erkennt sie und ihre Konflikte schon wieder, aber nur wie in einem recht fernen Spiegel.

EKKEHARD KNÖRER