Zeitschrift „Pop.Kultur und Kritik“: Aus der Tiefe des Akademikerraums

Die neue Zeitschrift „Pop.Kultur und Kritik“ zeigt, was Kulturberichterstattung sein kann. Die Hälfte der Autoren sind Professoren.

Über den Schmerzensmann Number One, Morrissey, gibt's noch immer einiges zu sagen. Bild: dapd

Neues Magazin, neues Glück. Und intellektuelle Auseinandersetzungen auf dem Feld des Pop. Man richte sich „an alle …, die sich für eingehende Analysen gegenwärtiger Popkultur interessieren“, heißt im Vorwort zur ersten Ausgabe der im Bielefelder Transcript Verlag verlegten Zeitschrift Pop.Kultur und Kritik.

Zum Teil kann ihr Inhalt diese Behauptung einlösen. Etwa, wenn der britische Soziologe Dick Hebdige über die Bedeutung von Morrissey bei jungen kalifornischen Latinos nachdenkt und darüber seine eigene Beziehung zum Popidol justiert. Das tut er mit stilistischer Eleganz und Understatement und verliert dabei das Schrullige seines Gegenstands nicht aus den Augen.

Wenn die Berliner Autorin Nadja Geer in ihrem Essay „Pop: Annäherungen an ein gegenwärtiges Phänomen“ utopische Potenziale beim Schreiben über Pop untersucht und dabei entdeckt, dass dadurch das „Prinzip Hoffnung … individualisiert, verkleinert und damit lebbar gemacht“ wird, tut sich der Möglichkeitsraum einer anderen Kulturberichterstattung auf.

Gefühlt liegt diese Fläche in Deutschland in letzter Zeit etwas brach. Und zwar nicht, weil Pop aus den Feuilletons oder Musikmagazinen verschwunden wäre. Sie können die Debattenarbeit qua Aktualitätsbezug nur schwer leisten. Auch die Blogosphäre ist im Vergleich zum angloamerikanischen Raum unterentwickelt. Hier versucht Pop.Kultur und Kritik mit Webpräsenz und unveröffentlichten Aufsätzen zu punkten.

Unorthodoxes Nerdwesen

Seine Printausgabe ist aufgemacht nach US-Vorbildern wie The Baffler, lange Textstrecken, wenige eingestreute Fotos. Theoretisch bedeutet dies Konkurrenz für Testcard und dessen unorthodoxes Nerdwesen. Stärker als Testcard kommt Pop.Kultur und Kritik aus der Tiefe des akademischen Raums. Von den 16 Autoren der ersten Ausgabe haben allein acht Professuren inne. Drei davon, Thomas Hecken, Moritz Baßler und Heinz Drügh, fungieren als Mitherausgeber.

Leider subsumieren sie unter Pop etwas willkürlich jedweden massenkulturellen Bezug, von Medienwirtschaft über Filmwissenschaft bis Politik. Wäre es nicht angebracht, anstatt wie Georg Seeßlen, der Feel-good-Movies als Pop bezeichnet, zu untersuchen, was diese gerade von Pop unterscheidet? Und warum wird nicht infrage gestellt, dass Realpolitik angeblich „Popstars“ hervorbringt?

Mit Pop.Kultur und Kritik mischen sich Akademiker stärker in den publizistischen Alltag und machen ihren Wissensstand transparent. Das ist angesichts von Plagiatsvorwürfen gegen studierte Politiker sehr begrüßenswert.

„Pop. Kultur und Kritik“. Heft 1, Herbst 2012, 170 Seiten, 16,80 Euro. Magazinpräsentation: 20. Oktober, Berlin, Ex-HBC
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