DVDESK
: Die Wandlungsfähige

„Vier Filme mit Asta Nielsen“ (Deutsche Kinemathek, 29,95 Euro)

Ein lasziver Tanz im figurbetonenden Kleid machte die dänische Schauspielerin Asta Nielsen gleich mit ihrem ersten, 1910 entstandenen Film, „Afgrunden“ („Abgrund“), zum Star. Regie führte ihr Mann Urban Gad, engagiert wurden beide nach Deutschland und bekamen für mehrere Filme einen Vertrag.

Nielsens bis heute berühmtesten Werke entstanden in den zwanziger Jahren: die „Hamlet“-Verfilmung, in der sie selbst die Rolle des melancholischen dänischen Prinzen spielt. Und Georg Wilhelm Pabsts neusachliches Werk „Die freudlose Gasse“, in dem Nielsen neben Valeska Gert und Greta Garbo auftritt. Nach nur einem, wenig erfolgreichen Tonfilm war Nielsens Schauspielkarriere mit dem Ende des Stummfilms vorbei.

Höhepunkt ihres Erfolgs waren die zehner Jahre, in denen sie zum ersten Filmstar europäischen Zuschnitts wurde. Wenn man heute nur noch wenige der damals gefeierten Filme kennt, hat das sicher auch damit zu tun, dass kaum einer der Regisseure, mit denen sie drehte, zu den ganz Großen zählte, auch und gerade nicht ihr Ehemann Urban Gad.

Die üblichen Überlieferungsschicksale kommen hinzu: Einer ihrer berühmtesten Filme – „Der Totentanz“ von 1912 – ist nur noch in Fragmenten erhalten, der einzige Nielsen-Film unter Regie von Ernst Lubitsch – die Strindberg-Verfilmung „Rausch“ von 1919 – wohl für immer verloren. So sind die vier Filme mit Asta Nielsen, die nun in restaurierten, teils fragmentarischen Fassungen veröffentlicht wurden, nicht unbedingt als Meilensteine der Filmkunst interessant. Sie sind zwar überdurchschnittliche, aber doch typische Produkte der entstehenden Industrie, die in ihrem Stoffhunger allerlei in der Luft Liegendes, teils auch Verqueres verwurstete und verwertete.

Gerade Asta Nielsen war schließlich berühmt dafür, nicht auf ein enges Repertoire festgelegt zu sein, sondern im Grunde alles spielen zu können, jede Rolle in jedem Fach, gerne außerhalb der üblichen Konventionen. Man kann sie darum als „Börsenkönigin“ (1916, Regie Edmund Edel) erleben, die als erfolgreiche Spekulantin ein Bergwerk erwirbt, bis ein Grubenunfall ihr den geliebten Mann und das Lebensglück nimmt; oder als Suffragette (1913, Regie Urban Gad), die für Frauenrechte kämpft, bis sie in der Liebe zu einem deutlich älteren Mann, Politiker und Frauenrechtsfeind mit vier Kindern im Schlussbild etwas findet, was sich der Film als Happy End vorstellt; oder im „Liebes-ABC“ (1916, Regie Magnus Stifter) als junge Frau, die ihrem Verlobten das Mannsein erst beibringen muss, dann aber über einen vorgespielten Liebesbetrug selbst zur Räson gebracht wird; oder, am kuriosesten, als „Eskimoweibchen“ in einer Art Norwegerpulli, das ein Grönlandforscher in die Zivilisation mitbringt, wo es seine wilde Unkultur („Das ist kein Eskimo, das ist ein Fresskimo“) mit komischem Effekt vorführen kann („Das Eskimobaby“, 1916, Regie Heinz Schall).

Wenngleich es fast immer damit endet, dass die mehr oder minder emanzipierte Frau unter die Haube gebracht wird, geraten die Konventionen zwischendurch in schöne Unordnungen, wozu die Star-Persona von Asta Nielsen die Lizenzen erteilt. Als Schauspielerin hat sie noch heute ihre Fans. Man muss allerdings sagen, dass die enorme Wandlungsfähigkeit auf Kosten der Subtilität geht und Nielsens Darstellungskunst doch eher an der Oberfläche von Mimik und Gestik Effekte erzielt. Dennoch ist dieses flagrante Gegenprogramm zum Typecasting, das insbesondere Hollywood seinen weiblichen Stars bis heute oft zumutet, ein immer wieder sehr erfreulicher Anblick.

EKKEHARD KNÖRER