Showdown im kalten Michigan

THRILLER In „Cold Blood - Kein Ausweg, keine Gnade“, seinem ersten amerikanischen Film, geht der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky erstmal auf Nummer sicher

VON ECKHARD HASCHEN

In Hollywood gab es früher Regisseure wie Raoul Walsh oder Jacques Tourneur, denen es nicht schwerfiel, aus mittelmäßigen Drehbüchern gute Filme zu machen. Der Österreicher Stefan Ruzowitzky, der vor knapp fünf Jahren für „Die Fälscher“ den Auslands-Oscar gewann, hatte zu Beginn des Jahrtausends mit seinen beiden „Anatomie“-Filmen bewiesen, dass er zu den wenigen Filmemachern im deutschsprachigen Raum zählt, die einen ausgeprägten Sinn für Genre-Kino besitzen. Regisseure also, die genau wissen, dass der fest abgesteckte Rahmen eines Genres keine Fessel sein muss, die einen behindert, sondern eine Folie, auf der sich erzählerische und inszenatorische Phantasie entfalten können.

Bei „Cold Blood „, der im Original „Deadfall“ heißt, und ursprünglich - noch besser - „Kin“ (= „Verwandtschaft“) heißen sollte, hatte Ruzowitzky es nun mit dem Drehbuch von Zach Dean, einem Debütanten, zu tun, dessen drei Erzählstränge von Anfang an um einiges zu konstruiert angelegt gewesen sein dürften, um einen wirklich befriedigenden Genre-Film daraus machen zu können: Der erste handelt von Addison (Eric Bana) und seiner Schwester Liza (Olivia Wilde), die gerade ein Casino ausgeraubt haben. Als sie bei einem Verkehrsunfall im nördlichen Michigan ihren dritten Komplizen verlieren, erschießt Addison einen Polizisten, der ihnen nur helfen wollte. Nun versucht er zu Fuß und sie per Anhalter die kanadische Grenze zu erreichen. Der zweite Erzählstrang handelt von dem ehemaligen Boxer Jay (Charlie Hunnam), der die Chance auf olympischen Ruhm einst bei einem manipulierten Kampf verspielte. Nun ist er - gerade aus dem Gefängnis entlassen - zum Haus seiner Eltern Chet (Kris Kristofferson) und June (Sissy Spacek) unterwegs, das in ebendieser schneebedeckten Gegend liegt. Der dritte Strang handelt von Deputy Sheriff Hanna (Kate Mara), deren Vater, Sheriff Becker (Treat Williams), nie gewollt hatte, dass seine Tochter Polizistin wird, weil er einer Frau diesen Job nicht zutraut. Dass Liza und Jay unterwegs zusammentreffen und sich auch schnell näherkommen, ist ebenso unausweichlich wie das schlussendliche Zusammentreffen aller Beteiligten im Haus von Chet und June, wo es beim Thanksgiving-Dinner dann so einiges zu klären gibt.

Möglicherweise es der allen drei Geschichten zugrundeliegende familiäre Konflikt, der zwar eine thematische Einheit stiftet, das Ganze am Ende aber ein wenig überladen erscheinen lässt.

So sind die Figuren, jede für sich, nicht nur differenziert gezeichnet, sondern offenbaren im Spiel der erstklassigen Darsteller auch immer neue Facetten. Selbst mit Eric Banas zu Beginn geradezu raubtierhaftem Gangster kann man am Ende irgendwie mitfühlen. Und mit Sissy Spacek und Kris Kristofferson als Ehepaar konnte sowieso nicht allzu viel schiefgehen. Einzig Treat Williams, der hier nicht zu ersten Mal einen Polizisten spielt, bleibt als verbohrter bis zum Ende eher schemenhaft.

Auch an Stefan Ruzowitzkys Inszenierung gibt es eigentlich nichts zu auszusetzen. Souverän setzt er etwa den Gegensatz zwischen der weiten Schneelandschaft - gedreht wurde in Quebec – und den engen Innenräumen, in denen die lange aufgestauten Konflikte schließlich explodieren, im Cinemascope-Format ins Bild. Und wenn er Action-Szenen wie die mit Schneemobilen ausgetragene Verfolgungsjagd drehen darf, scheint er sowieso ganz in seinem Element zu sein.

Vielleicht hat ihm bei seinem ersten amerikanischen Film - insgesamt ist es sein achter - noch ein wenig der Mut gefehlt, die eine oder andere Verdoppelung und Verdreifachung aus dem Drehbuch herauszunehmen, um das Geschehen noch radikaler zuspitzen zu können. An der Fähigkeit, sich sein Ausgangsmaterial hundertprozentig zu Eigen zu machen, mangelt es dem Regisseur Ruzowitzky nämlich ganz sicher nicht.