Spielfiguren nach Feierabend

ANIMATION Mit „Hüter des Lichts“ und „Ralph reichts“ kommen Animationsfilme in die Kinos, in denen Volksmythen und Computerspielen ein neuer Dreh verpasst wird

Statt mit „Der Hobbit“ zu konkurrieren, haben Disney und Dreamworks Animationsfilme aus der zweiten Reihe produziert

VON WILFRIED HIPPEN

Der Weihnachtsfilm dieses Jahres ist so offensichtlich „Der Hobbit“ von Warner Brothers, dass die anderen Studios in Hollywood erst gar nicht versucht haben, diesen Selbstläufer durch eine eigene, besonders aufwendige oder originelle Produktion zu toppen. Stattdessen haben sowohl Disney wie auch Dreamworks solide Animationsfilme aus der zweiten Reihe in die Kinos gebracht. Nichts vom Kaliber von „Shrek“ oder „Toystory“ also, sondern eher Variationen von diesen.

In „Hüter des Lichts“ von Dreamworks werden etwa im Stil von „Shrek“ die altbekannten Volksmythen gegen den Strich gelesen. Der Weihnachtsmann, der Osterhase, der Sandmann und die bei angloamerikanischen Kindern so beliebte Zahnfee werden darin als eine Art Wachtruppe vorgestellt, die über die heile Welt der Kindheitsträume wachen. Bedroht werden diese durch den bösen schwarzen Mann (der seltsamerweise im so bemüht politisch korrekten Hollywood noch durchgeht) mit Namen „Pitch“ (also „Pech“), der das Bewusstsein der Kinder mit seinen dunklen Wolken, die Alpträume bringen, so vergiftet, dass sie nicht mehr an ihre guten Hüter glauben, wodurch diesen die Vernichtung droht. Die Guten schließen sich zu einer Art Liga der Superhelden zusammen, und so ähnelt die Dramaturgie des Films dann auch eher jener der zurzeit so beliebten Adaptionen von Actioncomics wie „The Avengers“. Da kämpft der Sandmann mit einem Sandsturm gegen den schwarzen Tornado des Gegners, der Weihnachtsmann ruft mit russischem Akzent zum Angriff und der Osterhase ist ein ziemlich ruppiger Geselle, der sehr sauer werden kann, wenn man ihn als Känguru bezeichnet.

Als Identifikationsfigur für die jungen Zuschauer wird der ewig junge Rebell Jack Frost für die Mächte des Guten rekrutiert. Und da dieser Volksmythos eher diffus ist, konnten die Filmemacher um den Regisseur Peter Ramsey aus ihm einen Jungen mit typischen Pubertätsproblemen machen, mit denen er sich an seiner neuen Heldenfamilie reiben kann. Es wird ein wenig viel gekämpft, geflogen, geschossen, gefallen und geworfen, und der Schlitten vom Weihnachtsmann muss immer wieder Sturzflüge machen, bei denen die 3D-Effekte besonders gut ausgestellt werden können. Dabei liegt der Reiz des Films in der Idee dieser Welt von Fantasiefiguren, die erfreulich unsentimental und robust gezeichnet sind. Diese Welt ist gefüllt mit komischen Gnomen und kleinen fliegenden Wesen, die als Gehilfinnen der Zahnfee die Geschenke unter die Kissen der Kinder legen und deren Zähne einsammeln. Doch auch wenn solche schönen Ideen den Film für eine Zeit lang auch für ein älteres Publikum interessant machen, ist dies eher ein Film für all jene, die noch an den Weihnachtsmann und den Osterhasen glauben.

Wenn man in Disneys „Ralph reichts“ den Titelhelden sieht, wird man auch sofort an „Shrek“ erinnert. Denn auch er ist ein betont hässlicher, grober Muskelprotz, der nicht mehr den Bösewicht spielen will. Seit 30 Jahren macht Ralph in dem Computerspiel „Fix-it Felix Jr.“ Häuser kaputt, die der kleine Held, nach dem das Spiel benannt ist, dann immer wieder aufbaut. Ralph fühlt sich ungerecht behandelt, und es reicht ihm endgültig, als er zu der Jubiläumsparty seines Spiels nicht eingeladen wird, und alle nur dem selbstgefälligen Felix gratulieren. Die Grundidee der Geschichte besteht darin, dass die Figuren von Computerspielen immer dann, wenn ihre Geräte ausgeschaltet sind, ein Eigenleben haben. Das ist die gleiche Prämisse wie bei den Spielzeugfiguren in „Toy-Story“ und basiert letztlich auf Hans Christian Andersens „Der standhafte Zinnsoldat“.

Ralph trifft sich mit den Bösewichten aus anderen virtuellen Spielen in einer Selbsthilfegruppe und kann auch in andere Spiele wechseln, die er durch eine digitale Version der New Yorker Central Station erreichen kann. Ralph versucht, in einem anderen Spiel als der Held eine Ehrenmedaille zu gewinnen und bringt dadurch die gesamte Spielwelt durcheinander. Da er in seinem eigenen Spiel fehlt, droht dessen endgültige Abschaltung und in dem rosa Auto-Rennspiel „Sugar Rush“ findet er ein kleines Mädchen, das genauso rebellisch ist wie er und unbedingt ein Rennen fahren und gewinnen will. Ralph ist eine der einfachen Pixelfiguren aus einer der frühsten Generationen der Computerspiele und er bleibt auch immer eine betont simpel animierte Gestalt. Umso erstaunlicher ist es, dass er im Laufe des Films zu solch einer komplexen und liebenswerten Persönlichkeit wird.

Der Regisseur Rich Moore hat den Film mit Anspielungen aus der Welt der Videospiele vollgestopft, und mit seinem surrealen Witz bedient er auch das erwachsene Publikum, sodass auch die Eltern an diesem Film ihren Spaß haben können. Den 3D-Zuschlag kann man sich übrigens ruhig sparen, denn die Qualitäten dieses Films liegen ganz sicher nicht in seinen stereoskopischen Effekten. Aber es ist schon seltsam, wenn ein Film in 3D über einen so eindeutig zweidimensional entworfenen Helden wie Ralph gemacht.