TOM SCHILLING
: So wie die Jungs

Weiß man nie, zu welchen Sadismen die Regisseure fähig sind

„Ich möchte auch mal, dass Michael Gwisdek sich in der Kneipe neben mich setzt und mir eine Geschichte erzählt“, sage ich zu Frieda. Wir kommen gerade aus „Oh boy“, dem neuen Berlin-Film mit Tom Schilling. „Bei dem Trinkverhalten sieht dit schlecht aus“, meint Frieda und zeigt auf meine heiße Zitrone mit Honig. „Ja, Entschuldigung, mir ist kalt!“, sage ich.

Eigentlich wollte ich ja in den neuen Tom-Hanks-Film gehen, „Cloud Atlas“, so mit Rums! und Bilderspektakel. „Wie lange geht’n der?“, hatte ich aber vorsorglich an der Kasse gefragt, als ich die Karten abholen wollte. Das kommt von meiner Volksbühnen-Sozialisation. Ich frag immer, wie lange es dauert. Weiß man nie, zu welchen Sadismen die Regisseure fähig sind. Und wenn sie bei Castorf sagen: „Kann bis halb zwölf gehen“, mit Betonung auf „kann“, dann weiß man schon, dass es irgendwelche Endlosigkeiten geben wird.

„Bis viertel zwölf ungefähr“, sagte die Frau an der Kinokasse. Ich schluckte. „Gibt’s ’ne Pause?“, fragte ich. Die Kassenfrau drehte sich zu ihrer Kollegin um: „Du, Katrin, gibt’s bei ‚Cloud Atlas‘ ’ne Pause?“ – „Nee, ick gloobe nich“, sagte Katrin. „Ach du Kacke!“, sagte ich, „Drei Stunden sitzen? Da krieg ich ja Thrombose! Habta nich was Kürzeres?“ – „Guck doch den ‚Oh boy‘!“, sagte die Kassenfrau. „Mhm“, murmelte ich, „mich nervt der Schilling nur manchmal. Ich kenn einfach zu viele Typen, die so sind wie die Jungs, die er spielt?“ – „Ja, jeht mir ooch so“, sagte die Kassenfrau, „aber hier issa echt super.“

Dann sind wir fast nicht reingekommen, weil es in den Hackeschen Höfen keine Sitzplatzreservierung gibt und der Saal bis auf den letzten Platz ausverkauft war. „Entschuldigung!“, brüllte Frieda quer durch den Saal, „könnten Sie da hinten vielleicht aufrutschen, damit wir hier nebeneinandersitzen können?“ Gemurmel, Bewegung, Jackengeraschel. Dann ging der Film los: so was Schönes! LEA STREISAND