Techno mit Unkraut

POP Der Elektronikproduzent Dennis Busch zieht den Bauernhof dem Club vor. Auf seinem neuen Album „Total Youth“ kreiert er kauzige Klangcollagen

VON CARLA BAUM

Dennis Busch mag Metaphern, wenn es um Musik geht. „Wie eine dicke Hummel, der man erst mal nicht zutraut, dass sie richtig fliegen kann“, beschreibt er seinen Sound. Und brummen tut seine Musik, das stimmt. Er bastelt sie aus „Vasesplittern“ anderer Klänge, aus der „universellen Erbse“, die jeder Musik gemein ist. Das mag seltsam klingen. Tut es aber nicht, wenn Dennis Busch es sagt, denn die Seltsamkeit und er sind von jeher beste Freunde.

Elektronische Musik produziert Busch seit 2000. „Total Youth“, sein neues Album mit zwölf Tracks, ist das erste, das unter seinem bürgerlichem Namen erscheint. Zuvor veröffentlichte er unter diversen Pseudonymen, etwa James Din A4, Pop Dylan oder Pastor Fitzner, bis zu vier Alben pro Jahr auf seinem mittlerweile eingestellten Label Esel. Der Output ist geringer geworden, inzwischen sieht sich Busch nicht mehr in erster Linie als Musiker, sondern als visueller und auditiver Künstler.

Zirpen und Blubbern

Auf seinem Blog erscheinen fast täglich neue künstlerische Collagearbeiten, mit dem MPC-Sampler baut Busch „Blumensträuße“ voller Tracks, wie er es beschreibt. Hinzugekommen sind ein neues Label „Millions Of Brilliant Idiots“ und eine gleichnamige Modelinie. Die verschiedenen kreativen Tätigkeiten verbindet Buschs Liebe zur Collage. Selbst die Titel der Tracks auf „Total Youth“ – „Kaputtalism“, „Fog you“, „Love is Evol“ – sind Collagen aus Wörtern.

„Ich arbeite ähnlich mit Klängen wie mit Bildschnipseln“, sagt Busch über sein äußerst produktives Vorgehen. Tatsächlich hören sich seine Tracks so an, wie seine Collagen aussehen: verschnörkelt, vertüdelt, auf den ersten Blick nicht greifbar. Und während in den Collagen schon mal eine Schwangere mit Penis auftaucht, gibt es auch in den Stücken auf „Total Youth“ Elemente, an denen man sich stößt, die die Geradlinigkeit von Techno zugunsten einer wohldosierten Verschrobenheit verlassen. „Techno mit Unkraut“ nennt das der Künstler, „Stolper-Techno“, wirbt sein Label Pingipung.

Tatsächlich leben die Tracks von einer Unmittelbarkeit, einer Direktheit, in der konzeptuelles Glattbügeln keinen Platz hat. „Die Hörer sollen nicht das Gefühl haben, für meine Musik das Abi zu brauchen“, so Busch. Es tauchen immer wieder kleine Verästelungen und fühlbare, bizarre Sounds auf – mal blubbert es, mal zirpt es sphärisch, mal mischen sich E-Gitarrenriffs unter. Die Tracks auf „Total Youth“ schielen somit auch nicht in Richtung Tanzfläche. Zwar lösen einige von ihnen, etwa „Russian Hippies“ mit seinen langsam aufbauenden repetitiven Elementen, durchaus rhythmisches Zucken aus, auch wird es wippende Oberkörper geben, wenn „Total Youth“ ein geselliges Abendessen musikalisch untermalt. Zum ekstatischen Raven und zeitlosen Verlieren sind die Tracks trotz Viervierteltakt aber zu verschnörkelt und schlichtweg zu kurz. „Total Youth“ ist mit seinen knapp fünf Minuten der längste des Albums, der kürzeste, „Girl on a bike“, endet nach gerade mal einer halben Minute. „Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist“, sagt Busch.

Leben ohne DJ-Pult

Er möchte die Kürze als freundlichen Seitenhieb gegen die etablierten Regeln des Genres verstanden wissen, gegen den Imperativ für Technoproduzenten, die Stimmung mit durchgehenden Bässen künstlich in die Länge zu ziehen. So sieht Busch die potenzielle Euphorie dann auch eher beim Abwaschen als im Club.

Der ihm eigene spielerische und ironisch-subversive Umgang mit den Gepflogenheiten von Dancefloor zieht sich durch Buschs Alltag. Sein MPC-Sampler steht nicht in einer Altbauwohnung in Berlin, sondern in Ottersberg, einem Kaff bei Bremen. Dort lebt Busch mit seinen drei Kindern und seiner Frau Julia, wie Busch eine Künstlerin. Auf dem Land schnippelt er, wenn er nicht auf eine Horde Kinderbesuch aufpassen muss, Bildfetzen und setzt sie zu Collagen zusammen, bastelt mit dem Sampler an neuen Sounds und Tracks oder entwirft T-Shirts, auf denen „Ottersberg – New York“ steht.

In Ottersberg fällt ihm manchmal die Decke auf den Kopf, doch nie so sehr, dass er den Wunsch hätte, sich der großen, weiten Clubwelt hinzugeben. Eine bewusste, aber nicht feindselige Entscheidung gegen das DJ-Pult als Altar, gegen das oft propagierte Techno-Lebensgefühl. „Bloß alles nicht so ernst nehmen“, findet Busch. Da können sich nicht nur eingefleischte Technojünger getrost ein Scheibchen von abschneiden.

Dennis Busch: „Total Youth“ (Pingipung/Kompakt/A-Musik)