Warten auf den Krankenwagen

FILM Ein eher sieches Gesundheitssystem – in „Sofia’s Last Ambulance“ geht es mit einem Notfallteam durch die bulgarische Hauptstadt

Im vergangenen Herbst beim Dokumentarfilmfest in Leipzig freute man sich sehr, dass der neue Film des bulgarischen Regisseurs Ilian Metev mit der Silbernen Taube ausgezeichnet wurde. Schließlich hatte Metev, der in seiner Jugend in Deutschland zunächst eine Karriere als Violinist anstrebte und später in England Film studierte, „Sofia’s Last Ambulance“ unter anderem mit dem Preisgeld realisiert, das er 2008 mit seinem Erstlingsfilm „Goleshovo“ in Leipzig gewonnen hatte.

Während „Goleshovo“ von einer Handvoll alter Menschen erzählt, die in dem Dorf gleichen Namens ohne Strom, Gas und Telefon leben, beobachtet „Sofia’s Last Ambulance“ ein dreiköpfiges Notfallteam bei der täglichen Arbeit, die ziemlich schwierig ist, denn in den letzten 20 Jahren ist die Zahl der Krankenwagen in der bulgarischen Hauptstadt von 140 auf 13 gesunken. „Wenn man in Sofia einen Herzinfarkt erleidet, kann es sein, dass man bis zu fünf Stunden auf einen Krankenwagen wartet“, berichtet Metev.

Zuerst sei die Filmcrew mit unterschiedlichen Notfallteams unterwegs gewesen, bis sie den Arzt Krassimir Jordanow trafen. Weil er ihm so sympathisch war, entschied sich Metev sofort dafür, mit ihm zu drehen. „Ich wollte einfach mehr Zeit mit ihm verbringen.“ Zwei Jahre lang beobachtete der Regisseur den Arzt und seine Kollegen bei der Arbeit.

Im Innern der Ambulanz

Sein Film ist eine Art Roadmovie, oft auch ein Kammerspiel, da er größtenteils im Innern eines Ambulanzwagens spielt, der durch Sofia von Einsatz zu Einsatz fährt. Meist sieht man die Gesichter des so fotogenen wie sympathischen Einsatzteams – den klugen Arzt, die warmherzige Schwester, den coolen Fahrer. Manchmal sind sie angespannt, manchmal gelangweilt. Manchmal ist es schwierig, den Weg zum Patienten zu finden. Einmal halten sie auch auf der Straße, um Äpfel zu pflücken.

In der großartigen Eröffnungssequenz des Films fahren sie auf ein Werksgelände und verarzten einen Arbeiter, der eine Gehirnblutung erlitt. Später gibt es einen Jungen, auf den ein Schrank fiel, ein Verkehrsunfallopfer, einen Drogensüchtigen. Eine Notfallpatientin ist schon seit zwei Tagen tot, ihr Kopf von Würmern bereits halb weggefressen, wie der Arzt ungerührt feststellt. Ein Patient stirbt, weil das Team zu spät kommt.

In Pausen rauchen der Arzt und Schwester Mila, die alle Patienten liebevoll mit „Liebling“ und „Schatz“ anredet. Diskreterweise verzichtet Ilian Metev darauf, die Patienten abzubilden.

Als der Film in Sofia uraufgeführt wurde, sagte der bulgarische Gesundheitsminister, die Verhältnisse würden sich langsam bessern. Es gebe nun 15 Ambulanzteams, und die Gehälter der Notfallmediziner wären um 18 Prozent erhöht worden. Viel zu wenig, um zu verhindern, dass das Personal in andere Jobs wechselt, antwortete Jordanow. Obgleich er seit 25 Jahren in der Notfallmedizin arbeitet, verdiene er monatlich weniger als seine Kollegen anderswo in der EU in einer Woche. DETLEF KUHLBRODT

■ „Sofia’s Last Ambulance“ als OmU im fsk und Kino Krokodil