Ich nenne es Feuer

STEINZEIT In dem Animationsfilm „Die Croods“ erzählt Chris Sanders, wie eine Familie von Höhlenbewohnern die Verschiebung der Erdplatten und Urzeitviecher überlebt

Die Grundidee ist ambitioniert, denn hier wird von nichts Geringerem erzählt als vom Aufbruch der Menschheit in die Zivilisation

VON WILFRIED HIPPEN

Erst die Dinos und dann die sympathischen Mammuts und Säbelzahntiger von „Ice Age“ – im Unterhaltungskino sind die Urzeiten schon seit einigen Jahren in Mode gekommen. Unsere eigenen Vorfahren werden dabei allerdings meist links liegengelassen. In Erinnerung bleibt da am ehesten noch Jean-Jacques Annauds „Am Anfang war das Feuer“ von 1981 und natürlich Fred Feuerstein, der als komischer Steinzeit-Kleinbürger so prägend war, dass sich lange kein Animator an einen Gegenentwurf getraut hat. Doch jetzt kommen „Die Croods“ in die Kinos, und deren Modell mag zwar ursprünglich die alte Fernsehserie gewesen sein (auch hier gibt es einen Patriarchen, der sich mit seiner Familie herumärgert und auch hier wird mit Anachronismen und Anspielungen auf das moderne Leben gearbeitet), aber das Drehbuch ist so einfallsreich, dass Freds ständiges Geschrei nach „Wiillmmaa“ vergleichsweise schlicht erscheint.

Denn die Grundidee des Film ist durchaus ambitioniert, denn hier wird von nichts Geringerem erzählt als vom Aufbruch der Menschheit in die Zivilisation. An Anfang des Film sind die Croods Höhlenbewohner, die sich kaum aus ihren Erdlöchern heraus trauen. Draußen lauern nur Gefahren, alles Neue kann das Leben kosten, und nur der Hunger kann die Menschen dazu bewegen, die Höhle zu verlassen. So klaut der Clan ein Riesenei aus einem Nest, das natürlich auch einem Riesenvogel gehört und der jagt die kleinen, schutzlosen Menschlein dann sehr dramatisch durch die Steinlandschaft, bis sie es in letzter Sekunde zurück in ihre Höhle schaffen. Sie müssen alles roh essen, haben kaum Werkzeuge, allerdings schon eine erstaunlich ausgeprägte Sprache und so kann Papa Grug seinen Kindern eine Predigt darüber halten, wie gefährlich die Neugierde ist.

Aber Tochter Eep ist in dem Alter, in dem junge Frauen auch schon in der Steinzeit immer genau das Gegenteil von dem machten, was ihr Vater ihnen ans Herz legte, und so schleicht sie sich aus der Höhle und findet auch gleich einen schmucken jungen Mann, der zudem eine Art Einstein (der Kalauer war zu verlockend) der Urzeit ist. Der schmächtige und sehr coole Junge namens Guy beherrscht nicht nur das Feuer, sondern im Grunde alle Kulturtechniken wie die Musik, den Humor, das Domestizieren von Tieren und bringt sie der Familie bei, von der er gegen den heftigen Widerstand von Grug, aufgenommen wird. Nebenbei entwickelt er auch noch die Sprache weiter, wenn er in einer Art Running Gag alles neu Entdeckte auch neu benennt („Ich nenne es Gehirn!“).

All dieses neue Wissen müssen die Croods auch gleich anwenden um zu überleben, denn die Erde wird durch die Verschiebung der Kontinentalplatten erschüttert, die hier nicht in Millionen von Jahren, sondern ein paar Stunden vonstatten zu gehen scheint. Die Erde spaltet sich und die Croods werden aus ihrer Höhle vertrieben. Sie beginnen eine Wanderschaft, die sie durch eine Reihe von fantastischen Landschaften führt, und diese sind mitsamt ihren tierischen Bewohnern so originell, bunt und detailreich animiert, dass der Vergleich mit Camerons „Avatar“ hier nicht zu hoch gegriffen ist. Wie dort ist auch hier die 3-D-Technik ausnahmsweise sinnvoll eingesetzt. Es gibt zwar auch die vielen Stürze und Flüge, die angeblich dreidimensional so eindrucksvoll wirken sollen, inzwischen aber als dramaturgisches Klischee eher langweilen, aber der Regisseur Chris Sanders ist auch so klug, die eigentliche Stärke der neuen Technologie zu nutzten, und diese besteht darin, neue Räume zu schaffen.

So sind die knallbunten Urwälder und schroffen Berglandschaften so präsent und intensiv gestaltet, dass auch erwachsene Zuschauer daran ihre Freude haben dürften. Besonders bei der Tierwelt konnten sich die Animatoren austoben, denn da die Viecher ja längst ausgestorben sind, braucht man sich nicht an die leidige Realitätsnähe zu halten. So kann eine ganze Höhle sich als der Schlund eines noch an Land lebenden Wals entpuppen und ein Urhund das Gebiss eines Haifisches fletschen. Dass dieser dann durch ein geworfenes Stöckchen gezähmt werden kann, gehört zu den vielen guten Pointen von „Die Croods“, an dem übrigens auch sympathisch ist, dass die Filmemacher die Identifikationsfigur Eep als eine eher mollige Heldin entworfen haben, die sich offensichtlich wohl in ihrem Körper fühlt. Und wenn ihn dies stören würde, hätte Guy auch noch die Diät erfunden.