Die schnellste Tippse der Welt

FÜNFZIGER in „Mademoiselle Populaire“ baut Régis Roinsard sich seine eigenen, perfekt stilisierten 50er Jahre zusammen in denen Büroarbeit zu einem Hochleistungssport wird

Roinsard nutzt viele erzählerische Konventionen, die schon in den 50er Jahren nicht mehr neu waren und dreht sie ins Ironische

VON WILFRIED HIPPEN

“Sekretärin zu sein ist modern: In der Welt herum zu kommen, viele Menschen kennen zu lernen, für große Männer zu arbeiten!“ Das sind Sätze aus einem anderen Jahrtausend, doch die Ironie besteht darin, dass sie aus einem eindeutig emanzipatorischen Impuls heraus gesprochen werden. Die Heldin Rose will im Frankreich der späten 50er Jahre nicht in ihrem Kuhdorf und dem Krämerladen ihrer Eltern versauern und als ein Symbol für die „große weite Welt“ (auch eine inzwischen historische Wendung) sieht sie die Schreibmaschine im Schaufenster. Auf ihr übt sie das Tippen, ohne jede Technik mit zwei Fingern und ohne Interesse am Inhalt der Texte. Doch sie hat Talent fürs Schnellschreiben, und schafft es aus der Provinz bis in die USA zur Weltmeisterschaft im Maschineschreiben. Die komische Grundidee des Films besteht darin, dass hier aus einer alltäglichen Arbeitstechnik eine gefeierte Sportart wird. Diese Fallhöhe ermöglicht schöne komödiantische Effekte und dramaturgisch ist dies eine romantische Komödie mit der Struktur eines Sportfilms. So gibt es Zitate aus „Rocky“ und zahlreiche Wettbewerbe mit den bekannten Zutaten wie tickenden Uhren, knappen Schiedsrichterentscheidungen und jubelnden Fans.

Als Sekretärin ist Rose eine Niete, und dies merkt der Kleinunternehmer Louis Richard schon bei ihrer Bewerbung. Sie ist schusselig und sehr direkt, und draußen wartet noch ein Dutzend von viel besser angezogenen und frisierten Bewerberinnen, doch sobald Rose beginnt zu tippen, erkennt er den Champion in ihr. Und so wird er zu ihrem Trainer, Manager, Erzieher - einer typischen Pygmalion Figur, die sie ganze Romane wie Flauberts „Madame Bovary“ abtippen lässt, sie zum Klavierunterricht schickt, mit psychologischen Tricks zu Hochleistungen bringt und dabei blind gegenüber dem Offensichtlichen ist. Romain Duris gelingt es, diese Mischung aus Tatendrang und Hilflosigkeit sehr komisch und anrührend darzustellen. Als Louis ist er ein verklemmter Junggeselle, der nie gegen seinen Freund im Tennis gewinnt und als einziger nicht kapiert, warum Rose so folgsam seiner Regie folgt.

Dabei wird sie mit zunehmendem Erfolg immer populärer, eine Schreibmaschinen - Firma engagiert sie für eine große Werbekampagne und verkauft mit ihrem Namen eine neue Maschine ganz in rosa. Es gibt biestige Konkurrentinnen, den reichen Fabrikantensohn, der sich immer nur für die schnellste Tipperin interessiert und die Eltern von Rose, die den Erfolg ihrer Tochter im Schwarzweißfernseher verfolgen. So nutzt Roinsard viele erzählerische Konventionen, die schon in den 50er Jahren nicht mehr neu waren und zugleich dreht er sie ins Ironische , weil hier das Schnelltippen so ernst genommen wird.

Roinsard hatte für seinen Debütfilm ein vergleichsweise hohes Budget von 15 Millionen Euro zur Verfügung und man sieht, wo das Geld geblieben ist. Sein Film ist grandios ausgestattet, jede Einstellung ist perfekt stilisiert und die Ästhetik der 50er Jahre mit ihren Tütenlampen, Petticoats und barocken Autodesigns wird hier mit sanftem Spott gefeiert. Und Roinsard ist es gelungen, in „Mademoiselle Populäire“ die optimistische Aufbruchstimmung der 50er Jahre spürbar zu machen. Und dies verdankt er vor allem Déborah Francois, die mit ihrem Pferdeschwanz und der schlanken Figur ein wenig an Audrey Hepburn erinnert und sehr sympathisch wird, weil sie nie zu ehrgeizig, aber zielstrebig ihren Weg geht. Und weil dies ein französischer Film ist, stellt sich am Schluss auch noch heraus, dass eigentlich ein Franzose den revolutionären Kugelkopf von IBM erfunden hat, weil Rose schneller tippen als eine herkömmliche Maschine schreiben kann. Na Gut!