Wolfskinder im Spukhaus

BUH „Mama“ von Andrés Muschietti ist ein origineller, von Guillermo del Toro produzierter Horrorfilm, in dem zwei Waisenkinder, die fünf Jahre lang in einer Waldhütte gelebt haben, ein eifersüchtiges Muttermonster mit in ihre neue Pflegefamilie bringen

VON WILFRIED HIPPEN

Mal ehrlich, neue Ideen sind im Genrekino selten. Und gerade bei den Horrorfilmen sind die Strickmuster und Konventionen so oft genutzt und bekannt, dass sich inzwischen ein Subgenre mit Parodien wie „Scream“ entwickelt hat. Ein origineller Ansatz ist da Gold wert, und dies hat der mexikanische Horrormeister Guillermo del Toro („Pans Labyrinth“, „Hellboy“) gespürt, als er den dreiminütigen Kurzfilm „Mama“ des Spaniers Andrés Muschietti sah.

Darin werden zwar nur zwei kleine Mädchen von einer Horrorgestalt bedrängt, aber dieser Kern einer Geschichte faszinierte del Toro so, dass er Muschietti nach Hollywood holte und ihm freien Raum dafür ließ, einen Langfilm aus dieser Saat keimen zu lassen.

Und „Mama“ mag sich zwar vieler Klischees des Genres bedienen und in der Mitte ein Spukhaus ein wenig zu dicke mit den gängigen Buh-Effekten ausstatten, aber die Grundidee trägt und die Umsetzung ist, wohl auch dank des routinierten Förderers und Produzenten, erstaunlich souverän gelungen. Muschietti holt sich seine Anregungen bei den Gebrüdern Grimm und Geschichten von Wolfskindern, wenn er einen verzweifelten Mann zuerst seine Frau erschießen und dann mit seinen Kindern in ein großes Waldgebiet fahren lässt. Nach einem Unfall irren die drei verletzt durch das Gestrüpp, bis sie zu einer halbverfallenen Hütte kommen.

Hier verhindert ein bedrohliches Geisterwesen mit einem Schlag aus dem Nichts, dass der Vater doch noch seine Töchter umbringt, und für die nächsten fünf Jahre sorgt es für sie, sodass sie sich zu wilden Wesen entwickeln, die auf allen Vieren laufen und bedrohliche Erscheinungen wie Motten und dunkle Löcher in den Wänden „Mama“ nennen.

Schließlich findet der Bruder des Vaters (der Game-of-Thrones-Darsteller Nikolaj Coster-Waldau in einer Doppelrolle) die Mädchen und übernimmt zusammen mit seiner Freundin Annabel (die für „Zero Dark Thirty“ Oscarnominierte Jessica Chastrain) die Pflegschaft für sie. Ein ehrgeiziger Psychologie will mit seiner Studie über die beiden Waisen Ruhm ernten, aber auch er kann nicht erklären, warum so viele unerklärliche Dinge um die beiden herum passieren.

Die Mädchen scheinen von einem Geist bewacht zu werden, der eifersüchtig die Mutterrolle für sich beansprucht. In dem neuen Haus der neuen Familie manifestiert sich dieses Monster immer mehr, während die Pflegeeltern zuerst nicht ahnen, wie gefährlich es ist, wenn die Mädchen langsam Zuneigung zu ihnen entwickeln.

Muschietti arbeitet eher mit unheimlichen Stimmungen als mit brutalen Filmtricks, und so gehört das Muttermonster, das im Finale an der Kante eines steilen Abgrunds mit den neuen Eltern um die Kinder kämpft, als eine Mischung aus Computertricks und einer extrem langen und hageren Darstellerin eher zu den wenigen Enttäuschungen des Films.

Viel effektiver sind dagegen die alptraumartigen Visionen von einer jungen Mutter, die mit ihrem Baby aus einer Irrenanstalt flieht und von den Wärtern gehetzt von der gleichen Stelle aus zusammen mit dem Kind in einen See springt. Oder einfach nur die Buntstiftzeichnungen der beiden Kinder, in denen offenbar wird, wie fantastisch und grausam ihre fünf Jahre im Wald waren.