Die Statue des Polizisten ist zerbrochen

KUNST In China hat die Malerei noch umstürzlerisches Potenzial. Zhao Zhaos Werke werden in der Galerie Alexander Ochs gezeigt

Früchte, Brötchen, kleinformatig und ziemlich grob gemalt, dazu ein etwas zauseliger, dicklicher Asiat auf einem Stuhl und ein Mann mit Krone auf einer Art Spielzeugpferd von hinten gesehen. Was hier so harmlos, etwas unbedarft und lakonisch daherkommt, scheint in China in Sprengkraft von Dynamit zu besitzen. Was ist an diesen Bildern so brisant?

Nun, im Grunde handelt es sich in der Galerie Alexander Ochs nicht eigentlich um eine Malereiausstellung. Vielmehr ist die Malerei für Zhao Zhao, den Urheber der Bilder, nur das Mittel seiner Wahl für hintergründige Gedanken, Hinweise und Andeutungen. Die kann allerdings nur derjenige lesen, der sich mit China, seiner Kunst und den politischen Verhältnissen auskennt. Das macht die Kunst von Zhao Zhao für den durchschnittlichen Kunstliebhaber hierzulande schwer zu verstehen. In China wäre das schwer Verständliche, was sozusagen nur zwischen den Zeilen oder im imaginären Kontext der Bilder zu lesen ist, unter Umständen sogar ein Vorteil. Denn Zhao Zhao ist auch das lebende Beispiel dafür, dass in China immer noch künstlerische Zensur herrscht und Künstler für ihre Kunst ins Gefängnis wandern können. Auch wenn offiziell andere Gründe für Verhaftungen genannt werden. Zhao Zhao jedenfalls scheint die chinesischen Behörden zu provozieren. Der Pekinger Künstler ist ein Politikum allein schon wegen der Tatsache, dass er sieben Jahre Assistent von Ai Weiwei war.

Er gilt als gefährlich

Mit künstlerischen Aktionen und politischen Installationen scheint Zhao Zhao seinem Freund und Lehrer Ai Weiwei zu folgen. Einen Unterschied gibt es allerdings: Während Ai Weiwei China im Moment nicht verlassen will, aus Angst, nicht mehr in sein Heimatland eingelassen zu werden, war Zhao Zhao bei der Eröffnung seiner neuen Ausstellung in Berlin anwesend und stand während des Gallery Weekends zum Artist Talk bereit. Ein zurückhaltender Mann von 31 Jahren war da zu erleben, von dem man sich kaum vorstellen kann, dass er den chinesischen Behörden als gefährlicher Kritiker gilt.

Auf dem Bild mit dem sitzenden Asiaten in der aktuellen Ausstellung ist übrigens Ai Weiwei zu sehen. Man könnte meinen, die Szene erinnere an ein Verhör. Man könnte aber genauso gut assoziieren, der Mann in T-Shirt, Jeans und Badelatschen throne auf seinem Stuhl wie der Kaiser von China höchstpersönlich. Vieles bleibt offen bei Zhao Zhao – und soll wohl auch offen bleiben. Das gilt auch für die von Zhao Zhao gemalten Schachteln, in denen sich Ameisen aufhalten, oder für die dunklen Hintergründe seiner aktuellen Bilder, die etwa dafür stehen könnten, dass es für Zhao Zhao derzeit in seiner Heimat eher opportun ist, im Verborgenen zu malen.

Im letzten Jahr hatte Zhao Zhao in der Pekinger Dependance der Galerie von Alexander Ochs seine Bilder ganz bewusst in abgedunkelten Räumen gezeigt. Es war ein subtiler Hinweis auf die Ausgrenzung der kritischen Kunst in China. Zhao Zhao erlebte diese selbst, als er einmal die umgestürzte und zerbrochene Statue eines Polizisten ausstellte. Die Dienstnummer des Beamten ließ sich als Datum der Verhaftung von Ai Weiwei lesen. Die Statue wurde beschlagnahmt, und Zhao Zhao sollte für deren Zerstörung auch noch bezahlen.

Das Bild des reitenden Kronenträgers in der derzeitigen Ausstellung zeigt einen Mönch. Es ist eine Anspielung auf das in China geläufige Volksepos „Die Reise nach Westen“. Von hinten dargestellt, reist der Mönch fort, um – der Geschichte nach – den Buddhismus nach China zu holen. Statt auf einem edlen Ross sitzt dieser Mönch aber auf einem seltsam kurzbeinigen Pferd. Auch das ist ein Rebus, den es zu knacken gilt. RONALD BERG

■ Alexander Ochs Galerie, Besselstr. 14, bis 8. Juni, Di.–Sa. 11–18 Uhr