Unbedingt schützenswertes Kulturgut

AUSSTELLUNG Betonbälle aus der israelischen Mauer und grobschlächtige Porträts ehemaliger US-Außenminister. Mit „United Nations Revisited“ zeigt die Marzahner Galerie M künstlerische Interventionen im politischen Raum

Damit ist das Gebäude mit der Ausstellung nun als international geschütztes Kulturgut gekennzeichnet

VON INGA BARTHELS

Weiß-blaue Rauten und Dreiecke. Ein bisschen erinnert das Symbol an die bayerische Staatsflagge, aber es ist das Blaue Schild, das völkerrechtlich vereinbarte Schutzzeichen für Kulturgut. Das Symbol, 1954 in Den Haag unter Federführung der Vereinten Nationen (UN) ins Leben gerufen, soll Kulturbauten wie Museen und Bibliotheken in bewaffneten Konflikten vor der Zerstörung zu bewahren.

Ein solches Blaues Schild prangt seit Kurzem auf dem Dach der Galerie M in Marzahn. Die kleine Galerie in der Freizeitmeile Marzahner Promenade zeigt die Ausstellung „United Nations Revisited – Künstlerische Interventionen im politischen Raum“. Zu sehen sind die Arbeiten 15 zeitgenössischer Künstler, die sich kritisch mit der UN auseinandergesetzt haben.

Eines der Werke ist „Study for a Blue Shield“ des iranischen Künstlers Abbas Akhavan. Seine dem Blauen Schild der UN nachempfundene Arbeit war zunächst in den Galerieräumen ausgestellt. Letzte Woche wurde sie dort platziert, wo sie hingehört: auf dem Dach der Galerie. Damit ist das Gebäude mitsamt der Ausstellung nun auch von oben als international geschütztes Kulturgut gekennzeichnet.

Die Kuratorin der Ausstellung, Signe Theill, plante das Projekt „United Nations Revisited“ bereits seit zehn Jahren. Ihr Ausgangspunkt war das monumentale Wandbild des norwegischen Künstlers Per Krogh, das seit 1952 im Saal des Sicherheitsrates der UN in New York hängt – und damit der Hintergrund für Bilder ist, die mit der UN-Berichterstattung um die Welt gehen. Dieses von einer christlichen Bildsprache geprägte Gemälde wirkt sowohl stilistisch wie auch politisch aus der Zeit gefallen. Es gab der Kuratorin den Anstoß, anderen, auch nichtwestlichen Vorstellungen der UN durch die Kunst eine Stimme zu geben.

Wut und Hoffnung

Das tut zum Beispiel Alfred Banze in seiner multimedialen Installation „H-O-P-E“, einem der Herzstücke der Ausstellung. Zwei Jahre lang ist der Künstler mit einer Kopie von Per Kroghs Gemälde durch die Welt gereist und hat Reaktionen gesammelt. Interpretationen des Kunstwerks, aber auch Gedanken über die Rolle der UN im Allgemeinen. Er hat Studenten, Künstler und Passanten auf das Bild reagieren lassen, im Kongo, in Kambodscha, in China, überall. Die Reaktionen und die Erwartungen an die UN schwankten dabei oft zwischen Wut und Hoffnung, zu sehen sind sie in kurzen Videos.

Beeindruckend ist auch eine Bronzeskulptur der polnischen Künstlerin Goshka Macuga, grobschlächtig und dämonisch kommt sie daher: Sie porträtiert Colin Powell, den einstigen US-Außenminister. Seine Rede über die angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak gab den Anstoß zu der Arbeit. Für die Pressekonferenz dieser geschichtsträchtigen Kriegsrede vor dem Eingang des Saals des UN-Sicherheitsrats wurde bezeichnenderweise Picassos „Guernica“-Bildteppich, der normalerweise Hintergrund solcher Konferenzen ist, mit einem Vorhang verdeckt.

Eine bunte Mischung von deutschen und internationalen Künstlern ist an der Ausstellung in der Galerie M beteiligt, darunter auch große Namen wie Marina Abramovic und Alfredo Jaar. Afrika und Bosnien sind thematische Schwerpunkte, einige Arbeiten beschäftigten sich aber auch mit Berlin. Hier sorgte der palästinensische Künstler Khaled Jarrar auf der Biennale vergangenes Jahr mit seiner Aktion „State of Palestine“ für Aufsehen. Am Checkpoint Charlie stempelte er Reisepässe von Touristen mit seinem selbst entworfenen Stempel Palästinas. Immer mit der Warnung, dass das illegal sei und gerade bei Reisen nach Israel und in die USA zu Problemen führen könne.

Für „United Nations Revisited“ hat er einen Fußball aus Beton angefertigt, als Symbol für Völkerverständigung. Das Material dafür hat er aus der Mauer geschlagen, die Israel um das Westjordanland gezogen hat. Von der Aktion ist auch ein Video in der Ausstellung zu sehen.

Mühsames Entstehen

Der kleine Mann, der scheint’s endlos an der riesigen Mauer rumklopft. Das sei auch Sinnbild für die mühsame Entstehungsgeschichte der Ausstellung, sagt Signe Theill. Ursprünglich war das Projekt größer angelegt, doch in der Entstehung kam es immer wieder zu Konflikten.

Wegen der kritischen Grundhaltung gegenüber den UN, sagt Signe Theill, seien Projektpartner und Sponsoren abgesprungen, von den ganz großen Plänen musste sich die Kuratorin verabschieden. Die Ausstellung in Marzahn ist eine Konzeptausstellung, viele der Arbeiten, wie Abramovic’ Videoinstallation „Count on us“, sind nur durch Fotos repräsentiert. Doch die Kuratorin hat Hoffnung auf eine Übernahme. Durch Oslo und vielleicht sogar eines Tages New York. Dann in unmittelbarer Nähe des Gemäldes, mit dem beim „United Nations Revisited“-Projekt alles anfing.

■ United Nations Revisited: Galerie M, Marzahner Promenade 46, bis 4. August, tgl. außer Sa. 10–18 Uhr