Platon goes Hollywood

KRAFTPROBE Der Philosoph als Drehbuchautor

Der Film, so führt Alain Badiou genüsslich aus, werde allen „Schund“ für seine Zwecke mobilisieren

Schon die Frage, ob ein Philosoph ins Fernsehstudio gehen darf, kann Anlass einer Kontroverse sein. Wie ist es nun, wenn ein prominenter gesellschaftskritischer Philosoph in einem schicken Hochglanzmagazin, flankiert von glitzernden Reklameseiten, einen Artikel publiziert? Und wenn er in diesem Artikel verkündet, dass er einen der Großen der Philosophie zwar nicht in die Talkshow, aber schlimmer noch: nach Hollywood schicken will?

So Alain Badiou in einem Artikel, den er für die Startnummer der französischen Version von Vanity Fair verfasst hat. Der postmaoistische Philosoph gibt darin bekannt, dass er zurzeit an einem Drehbuch für einen Hollywoodfilm mit dem Titel „Das Leben Platons“ arbeite. Der Film, so führt er genüsslich aus, werde allen „Schund“, den man sich von der „Hauptstadt der kapitalistischen Korruption“ erwarten kann, für seine Zwecke mobilisieren: Er soll ein Biopic sein, eine Kriminalintrige enthalten und ein pittoreskes Bild der Athener Militär-, Liebes- und Diskussionskultur in historischen Kostümen entfalten. Eine attraktive Frau Platons soll überdies das Leben des Philosophen teilen und die Erfinderin der berühmten Diotima sein.

Wenn dann Badiou als Idealbesetzung für Platon Brad Pitt nennt, fragt man sich, ob dem Franzosen vielleicht der Erfolg seines letzten Buchs – einer Aktualisierung von Platons „Politeia“ (auf Deutsch bei Diaphanes 2013) – zu Kopf gestiegen sei. Er selbst begründet sein Unterfangen mit einem „intensiven, unreinen Wunsch“.

Über den Charakter dieser Unreinheit kommt man ins Grübeln. Offensichtlich geht es Badiou nicht schlicht um eine Instrumentalisierung der Traumfabrik Hollywood: Seine Intention ist nicht, nachdem das „Christentum als Platonismus fürs Volk“ (Nietzsche) ausgedient hat, nun die Unterhaltungsindustrie zur Propagierung der von ihm geschätzten Ideenlehre einzuspannen. Vielleicht erschließt sich sein Projekt, wenn man Badiou mit gewissen Heiligen aus der christlichen Legendengeschichte vergleicht. Diese frommen Gottesmänner, so kann man lesen, legten sich eine ganze Nacht zu einer nackten jungen Frau ins Bett. Nicht um mit ihr zu schlafen. Sondern um zu demonstrieren, dass auch unter diesen Umständen Keuschheit möglich und die Herrlichkeit Gottes also grenzenlos ist.

Badiou scheint mit seinem Filmprojekt etwas Analoges vorzuhaben: Er will eine Kraftprobe vorlegen. Den Nachweis erbringen, dass der wahre Philosoph, der er ist, mit der „Propagandamaschine des amerikanischen Lebensstils“ ein Rendezvous eingehen kann, ohne seine Unschuld zu verlieren. Sein Resummé des projektierten Films: „Alle Zeiten sind die Zeiten Platons. Das wahre Thema des Films ist die Ewigkeit des Philosophen.“

CHRISTOF FORDERER