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: Zweikampf mit Folgen

„Leben und Sterben des Colonel Blimp“. Regie: Michael Powell, Emeric Pressburger, UK 1943

Zwei Freunde fürs Leben finden einander ausgerechnet in einem Duell. Es ist das Jahr 1902, der Ort ist Berlin. Anlass ist ein wunderbar absurder Streit um Orchestermusik. Die sich duellierenden Männer sind Soldaten, einer in der britischen, einer in der deutschen Armee. Der Deutsche, Theo Kretschmar-Schuldorff, springt für einen anderen ein. Der Brite, Clive Wynne-Candy, ist in diplomatischer Mission unterwegs, nur dass ihm die Vorgesetzten diese Mission ausdrücklich untersagten. Auch der Deutsche ist ein sehr eigensinniger Mann, der Duelle eigentlich ablehnt. Der Zweikampf endet mit einem Remis: Beide sind verletzt und kommen ins selbe Hospital. Man spielt miteinander Karten, man freundet sich an. Eine Britin in Deutschland, die der eigentliche Grund für Wynne-Candys Mission war, ist im entstehenden Freundschaftsbund die Dritte.

Eigentlich ist „Leben und Sterben des Colonel Blimp“ ein Propagandafilm. Mitten im Krieg entstanden, läuft er auf einen Aufruf hinaus, die Nazis als schlimmste Verbrecher nicht mit den Mitteln des britischen Gentlemans, sondern mit ihren eigenen schmutzigen Methoden zu bekämpfen. Winston Churchill hat den Film von Michael Powell und Emeric Pressburger trotzdem gehasst und wollte sogar seinen Kinostart unterbinden. Ein Deutscher als Sympathieträger, das durfte nicht sein.

Dabei ist der mit Anton Walbrook in jeder Hinsicht perfekt besetzt: Der Österreicher Adolf Wohlbrück, der seinen Namen im Exil erst französi-, dann anglisierte, ist nicht nur ein fabelhaft eleganter Schauspieler und Charmeur, sondern auch die perfekte Gegenfigur zum derzeit mal wieder gefeierten anpasserischen deutschen Kraftkerl Heinrich George. Wohlbrück war „Halbjude“ und schwul und hasste die Nazis von Herzen. Er reüssierte in britischen Filmen, darunter noch weitere von Pressburger/Powell alias „The Archers“, nahm 1947 die britische Staatsbürgerschaft an und feierte nach dem Krieg, etwa in Max Ophüls’ Meisterwerk „Lola Montès“, weiter Erfolge.

Geschichte schlägt Haken

Zwischen Anfang und Ende spannt der Film einen Bogen. Er beginnt in der Gegenwart des Zweiten Weltkriegs, blendet zurück an den Jahrhundertbeginn und holt über vierzig Jahre hinweg die Gegenwart im Lauf von zweieinhalb Stunden Erzählzeit wieder ein. Dass die Geschichte dabei manchen Haken schlägt, versteht sich von selbst. Für gerade Wege und einfache Verhältnisse waren die Archers nicht zu haben. Irgendwann kommt man zwar auf die Botschaft zurück, die meiste Zeit aber wird so schräg wie komisch und melancholisch und berührend vor Augen geführt: Auf beiden Seiten finden sich anständige, und das heißt bei Powell und Pressburger meist: sture und dickköpfige Menschen, die niemandes Befehl, sondern nur der Richtschnur ihrer eigenen Prinzipien und Einsichten (und den Grillen von Emeric Pressburger) folgen.

Zwischen den Männern steht eine Frau, Edith Hunter (Deborah Kerr). Dass die Archers daraus kein Dreieck der Konkurrenz bauen, zeugt von ihrer unbeirrbaren Friedfertigkeit. Sie finden einfach einen fantastischen Ausweg: Edith Hunter heiratet den Deutschen. Der Brite trifft später aber auf eine ihr äußerst ähnliche Frau (Deborah Kerr) und nimmt dann eben diese. Es wird sie sogar noch ein drittes Mal geben, in der Gegenwart. Da ist sie an einen anderen vergeben und für die nun alten Männer zu jung. Davon, wie die Zeit auch an Helden nicht vorbeigeht, erzählt „Leben und Sterben von Colonel Blimp“ nämlich ebenfalls. Und schon der Wahlspruch aus dem stickteppichartigen Vorspann bringt es aufs treffende Wortspiel: „Sic transit gloria Candy“.

EKKEHARD KNÖRER