Ein Ozean aus Atem

Pop-Entwürfe jenseits des zu Erwartenden sind das Spezialgebiet der Berliner Musikerin Elle P. Vor zwei Jahren brachte sie mit dem Produzenten Iftah ihr Debütalbum „Mrs. Oscillator & Her Pocket Calculator“ heraus, auf dem sie analog-elektronischen Pop im Anschluss an die Achtziger in sehr eigenwillig-eigenständiger Manier darbot, ohne nostalgisch zu wirken. Zusammen mit dem Franzosen Morgan Belenguer legt sie jetzt als Morgan & Elle P. das Minialbum „L’océan des souffles“ nach, zu Deutsch „Ozean der Atemzüge“.

Handelsüblichen Pop sollte man auch diesmal nicht erwarten. Das kündigt sich schon im ersten Stück „Appear Solid“ an: Über einem schlurfenden Beat und leicht verunsicherten Melodie-Fragmenten singt Elle P. mit verträumter Lässigkeit assoziative Wortketten, die immer neue Anläufe nehmen, scheinbar ohne an ihr Ziel zu gelangen. „Booty Sentimental“ hingegen beginnt zart, mit hingetupften Klängen und unsicher tastendem Rhythmus, um kurz darauf in ein fast brutal geradliniges Synthiepop-Raster zu kippen. Zwischen diesen beiden Stimmungslagen kippt das Stück leicht schizophren hin und her.

„Valium Dixieland“ nennt Elle P. ihre Streifzüge fernab der Tanzflächen. Es sind Träume im Songformat, die schon mal irritieren können, weil sie unvermittelt die Richtung wechseln oder mit Klängen sonderbarer Herkunft aufwarten: Stammt dieses Blubbern etwa von schnatternden Gänsen? Sind diese Bläser im Synthesizer entstanden, oder waren das mal akustische Instrumente? Bei aller Verfremdung schaffen es Morgan & Elle P. jedoch immer eingängig zu bleiben und bieten höchst eigentümlichen Pop.

Wie Morgan Belenguer kommt auch Erwan Castex alias Rone aus Frankreich, lebt mittlerweile aber in Berlin. Sein Wohnsitz hat bisher kaum Spuren in seiner Musik hinterlassen. Statt stilistisch an etwaige Berliner Orte anzudocken, verfolgt er lieber seine eigene Vision, in der sowohl HipHop als auch Trance Raum finden. Sein zweites Album „Tohu Bohu“ demonstrierte das im vergangenen Herbst auf so eindrucksvolle Weise, dass er jetzt eine erweiterte Fassung unter dem Titel „Tohu Bonus“ herausgebracht hat. Neben völlig neuen Stücken liefert er alternative Versionen von Album-Titeln, die zum Teil die Originale übertreffen: Der „Wild Edit“ von „Let’s Go“ etwa, mit einem Gastauftritt des Rappers High Priest vom Antipop Consortium, fließt hier noch eine Spur dreckiger dahin.

TIM CASPAR BOEHME

■ Morgan & Elle P.: „L’océan des souffles“ (Elsewhere) ■ Rone: „Tohu Bonus“ (Rough Trade)