Erfolgreicher Literatur-Fischzug

BÜCHER Auch in seinem fünften Jahr präsentiert das Festival Harbour Front vor allem populäre Autorinnen und Autoren. Für Abseitiges bleibt wenig Platz

VON ROBERT MATTHIES

„Große Namen der Literatur“, „namhafte Gäste“, „herausragende Schauspieler“, der „Bestseller Nr. 1 des Jahres“ und „die wichtigsten Neuerscheinungen des Herbstes“: Auch die fünfte Ausgabe des Literaturfestivals Harbour Front setzt vor allem auf Populäres. Drei Wochen vor der Frankfurter Buchmesse, von Donnerstag bis Samstag kommender Woche, werden 80 Veranstaltungen aufgeboten. Über 70 Autorinnen und Autoren lesen an 27 – selbstverständlich „ungewöhnlichen“ – Orten rund um den Hafen und bis weit in die Stadt hinein.

„Große Literatur an spektakulären Orten“ im Festivalformat, das ist ein auch hierzulande seit dem herausragenden Erfolg der Lit.Cologne bewährtes Rezept. Das vom Verleger Nikolaus Hansen und dem Ex-Geschäftsführer des S.-Fischer-Verlages, Peter Lohmann, initiierte, von der Kühne-und-Nagel-Stiftung und der Kulturbehörde mit ansehnlichen Summen bezuschusste Literaturfestival ist damit binnen fünf Jahren zum größten seiner Art in Norddeutschland geworden – und mit seinen jährlich über 20.000 Besuchern zum festen Termin im Marketingkalender der Verlage.

Auf Experimente wird also auch in diesem Jahr verzichtet. Stattdessen allerorten beliebte Garanten für hohe Verkaufszahlen: Zu Gast sind mit Mirco Bonné, Daniel Kehlmann, Clemens Meyer, Uwe Timm und Urs Widmer gleich fünf Kandidaten für den diesjährigen Deutschen Buchpreis, außerdem Jochen Missfeldt, Helene Hagemann (mit ihrem ersten Buch seit dem Skandal) und Peter Henning. Auch die europäische und internationale Belletristik ist mit bekannten Namen vertreten: Eduardo Mendoza, Avi Primor, Liao Yiwu, David Serdaris oder T. C. Boyle.

Dabei hatten die Initiatoren zu Beginn geschickt etliche Hamburger Literaturinitiativen vom Literaturhaus bis zum Machtclub zur Mitwirkung eingeladen, um dem Festival gerade nicht den Anschein einer Verlags-Werbeveranstaltung zu geben. Übrig geblieben ist davon immerhin die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Leseförderverein „Seiteneinsteiger“.

Ab Ende Oktober präsentiert dessen eigenes Lesefest mit mehr als 180 Veranstaltungen Romane und Sachbücher für Kinder und Jugendliche, teilweise geht man dazu direkt in die Schulen. Unter dem Label „Seiteneinsteiger International“ gibt es beim Harbour Front Festival nun achtzehn international erfolgreiche Jugend- und Kinderbuchautorinnen und -autoren zu erleben. Unter anderem der mehrfache Deutsche Jugendliteraturpreisträger Kevin Brooks (unter anderem „iBoy“), der seinen in der Londoner Punkszene der 1970er-Jahre angesiedelten neuen Roman „Live fast, play dirty, get naked“ im Uebel & Gefährlich vorstellt.

Zumindest ein paar Nebenschauplätze gönnt sich das Erfolgs-Festival. An zwei Abenden präsentiert etwa der „Graphic Novel Salon“ im Instituto Cervantes im Chilehaus vier Autoren, darunter den mit dem Prix Coup de Coeur ausgezeichneten Franzosen Florent Silloray. Der begibt sich auf die Suche nach den Spuren seines Großvaters, der 1939 Hof und Familie zurücklässt, um gegen die Deutschen zu kämpfen.

Auch der Spanier Antonio Altarriba blickt gemeinsam mit seinem Zeichner Kim (Joaquim Aubert Puigarnau) in „Die Kunst zu fliegen“ durch die Augen seines Vaters auf das Spanien des letzten Jahrhunderts: auf Bürgerkrieg, Exil und Widerstand, die Franco-Diktatur und schließlich das Aufblühen der Demokratie. Dafür gab es vor drei Jahren den renommierten spanischen Comicpreis Premio Nacional de Cómic.

Der Italiener Manuele Flor stellt seine Liebesgeschichte „Fünftausend Kilometer in der Sekunde vor“, für die er auf dem Comicfestival in Angoulême, dem bedeutendsten Festival Europas, 2011 den Preis für das „Beste Album“ bekommen hat. Der Deutsche Kurzfilmer und Indie-Autor Lukas Jüliger schließlich erzählt in „Vakuum“ die surreale Geschichte eines blutigen Sommers.

Auch Preise gibt es beim Harbour Front Festival wieder zu ergattern: Im „Debütantensalon“ bewerben sich acht junge Autorinnen und Autoren um den mit 10.000 Euro dotierten Klaus-Michael-Kühne-Preis. Neu hinzugekommen ist in diesem Jahr der Kinder- und Jugendbuchautoren-Preis „Hamburger Tüddelband“. Aus einer gemeinsam mit dem Leseförderverein Seiteneinsteiger erarbeiteten Vorschlagsliste haben Hamburger Schülerinnen und Schüler den „besten Geschichtenerzähler“ gewählt. In diesem Jahr geht der Preis an Rafik Schami, der am Donnerstag aus seiner Geschichtensammlung „Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte“ liest.

■ Do, 12. 9. bis Sa, 21. 9.