Unergründlich funkelt das Wasser

LITERATUR Drüberstehen oder draufstehen: Die Shortlist zum Deutschen Buchpreis ist raus

Neulich, beim Fest zum fünfjährigen Bestehen des Galiani Verlages, gefeiert wurde auf einer Terrasse in Berlin direkt an der Spree, alles war sehr schön, beschwingt, lustig, literaturbetriebsquirlig und spätsommerlich, erzählte jemand, der es wissen musste, denn er war schon auf Long- und Shortlists vertreten gewesen, wie diese Zeit, bevor der Deutsche Buchpreis dann vergeben wird, für Autoren so ist. Sie ist schrecklich, sagte er und blickte auf das unergründlich dunkel funkelnde Wasser. Man hat seinen Roman fertig, endlich. Und eigentlich möchte man nun natürlich souverän sein. Aber man ist nicht souverän. Man ist aufgeregt. Man wartet auf die Liste.

Dann kommt die Liste. Für den Fall, dass man nicht draufsteht, hat man sich innerlich gewappnet. Aber man weiß auch, dass man sich nicht restlos wappnen kann. Ein Nichtdraufstehen wäre natürlich eine Enttäuschung. Aber andererseits: Dann wäre es auch vorbei. Ein Draufstehen hat auch seine Tücken. Nach der ersten Freude weiß man: Jetzt ist es ja noch nicht vorbei. Jetzt geht die Aufregung noch weiter. Noch fast vier Wochen bis zur Verleihung! Tägliches Chancenausrechnen, tägliches Nichtwollen, dass man seine Chancen ausrechnet. In etwa ein Gefühl, als würde man sich stündlich selber googeln. Man kann nicht anders, fühlt sich aber auch wie von sich selbst ertappt. Der Autorenberuf, sagte der Autor noch, ist sehr seltsam. Nicht nur unterbezahlt. Auch sehr seltsam. Erst schreibst du zwei, drei, vier Jahre an einem Buch. Und dann starrst du tagelang nur noch auf diese Liste. Erst Tausende von Entscheidungen, wie schreibst du dies, wie schreibst du das? Man ist eingehüllt von seinen Figuren, im Dauergespräch mit seinen Ideen. Und dann: Daumen hoch oder Daumen runter, der große, simple Unterschied von Null und Eins. Null heißt: man steht nicht drauf. Eins heißt: man steht drauf. Nach all diesen Differenzierungen das simple Dualsystem. Doch was soll man machen! Man will drüberstehen über dieser Liste. Aber man tut es einfach nicht. Ich glaube niemandem, ich glaube keinem Autor, der behauptet, da drüberzustehen.

Er nahm einen Schluck und fügte noch an: Ich glaube das niemandem, außer vielleicht Peter Handke.

So weit dieses Gespräch oder eher dieser Autorenmonolog, der so ähnlich tatsächlich stattgefunden hat. Und okay, nun ist die Shortlist zum Deutschen Buchpreis also da. Nicht draufstehen tun Daniel Kehlmann, Altmeister Uwe Timm, der Mitfavorit Thomas Glavinic und unter anderem leider auch Joachim Meyerhoff. Draufstehen tun die Favoriten Clemens Meyer und Terézia Mora. Die Geheimfavoritin Marion Poschmann. Die Überraschungsgäste Monika Zeiner und Mirko Bonné. Und der eigentlich außer Konkurrenz laufende Reinhard Jirgl. Eine vielfältige und insgesamt nachvollziehbare Liste. Verliehen wird der Deutsche Buchpreis am 7. Oktober. drk