Ein Reigen der Schleimereien

THEATER Die leichtfüßige Komödie „Der Parasit“ von Louis-Benoît Picard am Düsseldorfer Schauspielhaus

Das Düsseldorfer Schauspielhaus backt derzeit kleine Brötchen: Die Saisoneröffnung findet im Kleinen Haus statt, und gegeben wird „Der Parasit“, eine ziemlich leichte Komödie von Louis-Benoît Picard, die wohl längst vergessen wäre, hätte nicht Friedrich Schiller das 1787 entstandene Werk 1803 für das Weimarer Theater übersetzt. Es mangelte an deutschen Komödien in dieser Zeit, deshalb bediente man sich gern an Stoffen aus dem Nachbarland, die man passend machte. Ein echter Schiller ist das Stück nicht, dazu mangelt es an Biss und Tiefe, eher eine hübsch gewickelte Mogelpackung, die nichts falsch machen und vor allem vergnügen will.

Das passt zum Zustand der Lähmung, in dem sich das Düsseldorfer Schauspielhaus nach dem Schock des plötzlichen Abgangs seines glücklosen Intendanten Staffan Valdemar Holm im vergangenen Herbst noch immer befindet. Nach Indiskretionen im Findungsprozess der Neubesetzung seines Postens scheint sich nun wenig zu tun bei der Suche nach einer neuen Führung dieses großen, immer noch finanziell gut ausgestatteten Theaters. Wie Mehltau liegt der Identitätsverlust über dem Haus, das dazu seit Jahren im Gerümpel der umliegenden Großbaustellen zu verschwinden droht.

Hölzerne Beamtenseele

Von der Schäbigkeit eines Gewerbegebiets ist der Einheitsbühnenraum von Kathrin Frosch, der das Vorzimmer des Ministers Narbonne vorstellen soll, mit Pressspanwänden, verstaubten Ficus-Pflanzen in Hydrokulturtöpfen und krächzender Kaffeemaschine aber eher an den Flur eines kleinen Logistik-Dienstleisters erinnert als ein ministeriales Entrée.

In dieses Elend wird La Roche, ein Subalterner des Ministers, zu Beginn ganz buchstäblich im hohen Bogen geworfen, denn er verliert seinen Job beim Minister und beginnt den Abend mit einem bibbernden Lamento über seine Opferrolle. Fortan geistert er als um Gerechtigkeit feilschender Schmierlappen mit fettigem Haar und Schwitzflecken umher.

Doch bevor der Reigen der Intrigen und Schleimereien seinen Lauf nimmt, machen die Protagonisten erst mal ein Warm-up: Schuberts Klaviertrio, unterlegt mit schmissigen Beats, dient als Soundtrack für ein Tänzchen, dessen individuelle Körpersprache die Neuröschen und Opportunismus-Macken der Figuren zwischen Anmaßung, Eitelkeit und Gefallsucht offenbart.

Minister Narbonne (Moritz Führmann) ist ein papageienbunt gedresster Freizeitheld mit verdächtiger Sonnenbankbräune, Firmin, ebenfalls Subalterner (Dirk Ossig), eine hölzerne Beamtenseele mit Spitzbart und der Parasit schließlich, ein gewisser Selicour (Florian Jahr), ein gegelter Schönling à la Guttenberg, der sich unentbehrlich macht und seinem ehemaligen Freund La Roche via Intrige den Rausschmiss bescherte. Einmal wendet er sich ans Publikum und zitiert den Staatsrechtler Carl Schmitt, der jenen Vorraum, in dem das Stück spielt, einst als „Korridor zur Seele des Machthabers“ bezeichnete.

Um Regisseur Nurkan Erpulat, der sich 2010 im Berliner Ballhaus Naunynstraße mit „Verrücktes Blut“ an die Spitze der Theaterrepublik katapultierte, weil ihm damit das Stück zur Sarrazin-Debatte glückte, ist es inzwischen stiller geworden. Holm holte ihn als Hausregisseur nach Düsseldorf, mit „Der Parasit“ stellt er erneut solides Handwerk unter Beweis.

Er führt die Schauspieler souverän und temporeich, kleine musikalisch unterlegte pantomimische Intermezzi sorgen für schräge Brechungen der ansonsten ziemlich unverhohlen boulevardesken Regie. Das amüsierfreudige Düsseldorfer Publikum ist begeistert. Für den Saisonauftakt eines der größten deutschen Theater ist diese Petitesse aber doch arg defensiv. REGINE MÜLLER