Das Ding, das kommt
: Berauschende Bildwelten

DIONYSOS’ BILD von der Antike bis in die Neuzeit ist jetzt eine Ausstellung in Hamburg gewidmet

Als alter Lüstling, von Efeu und Wein umrankt, erscheint er noch auf antiken Vasen und Sarkophagen, begleitet von ekstatisch tanzenden Mänaden, trunkenen Silenen und Satyrn zieht er triumphal über breite Gemälde, in der Renaissance schließlich tut er sich genüsslich am Weine gütlich – als goldgelockter Jüngling und Symbol für den Triumph des Lebens überhaupt. Wein, Freude, Fruchtbarkeit und Ekstase: Kein antiker Gott hat die Kunst so fasziniert wie Dionysos, und Bacchus, sein römisches Pendant.

Unter dem Titel „Dionysos. Rausch und Ekstase“ widmet das Hamburger Bucerius Kunst Forum dem antiken Weingott bis Anfang Januar eine epochenübergreifende Ausstellung. Zu sehen sind rund 90 Exponate vom 5. Jahrhundert v. Chr. bis in die Moderne: Skulpturen, Reliefs aus Marmor und Elfenbein, Vasenmalereien, Gemälde, Zeichnungen und Kupferstiche. Das Zentrum bilden rund 30 Stücke aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, darunter die sogenannte Dresdner Mänade, eine antike Skulptur einer tanzenden Dionysos-Anhängerin, sowie Gemälde von Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck. Ergänzt wird die Ausstellung durch Leihgaben etwa aus den Vatikanischen Museen, dem Madrider Prado oder der National Art Gallery in Washington.

Verzichtet hat Kurator Michael Philipp ganz bewusst auf eine chronologische Darstellung. Vielmehr sind die Exponate in neun Themenkomplexen angeordnet, die immer neue Bezüge zwischen Antike und Neuzeit herstellen, zwischen ursprünglichem Motiv, seiner Rezeption oder auch Umdeutung. Da geht es dann beispielsweise um „Dionysos in Kult und Gestalt“, um „Die Kindheit des Dionysos“ oder um die Liebe zwischen Dionysos und Ariadne.

Und tatsächlich: Aus der thematischen Gegenüberstellung ergeben sich überraschende Korrespondenzen oder auch Differenzen. Erstaunlich ähnlich sehen sich etwa die „Eroten bei der Kelter“ aus dem Umfeld Raffaels (Foto) jenen „Eroten bei der Weinlese“, die im 2. Jahrhundert nach Christus auf einem römischen Reliefspiegel verewigt wurden. Und als der spanische Naturalist Jusepe de Ribera 1635 seinen – ganz zeituntypisch – melancholisch-efeuumrankt greisen Dionysos malte, orientierte er sich ganz offensichtlich an einem antiken Vorbild.

Dass der Bann des Weingotts weit über die bildende Kunst hinaus bis heute ungebrochen ist, beleuchtet das begleitendes Veranstaltungsprogramm in Vorträgen, Gesprächen, Konzerten, einem Improvisationstheater – und naheliegenderweise: Weinseminaren.  MATT

■ „Dionysos. Rausch und Ekstase“: bis 12. Januar, Hamburg, Bucerius Kunst Forum