Autoren-Stalking und Lokalkolorit

MORD UND TOTSCHLAG Einen roten Faden sucht man im Programm vergeblich, aber ein paar Stars der Szene sind doch da: Nächste Woche beginnt zum siebten Mal das Hamburger Krimifestival

VON ILKA KREUTZTRÄGER

Krimifestivals sind immer ein Kompromiss, das sieht man auch am diesjährigen Hamburger Line-up. Einen roten Faden oder einen thematischen Schwerpunkt sucht man beim siebten Hamburger Krimifestival auf Kampnagel vergebens. Die Organisatoren müssen immer nehmen, wen sie bekommen können. Autoren müssen ein neues Buch in den Läden haben und die Verlage müssen ihre Autoren auf die Reise schicken. „So ein Festival ist eben kein Wunschkonzert“, sagt Volker Albers vom Hamburger Abendblatt.

Albers hat das Programm zusammengestellt und er war es auch, der die Idee zu dem Festival hatte, das Literaturhaus und die Buchhandlung Heymann mit ins Boot holte – 2007 ging es los. In diesem Jahr hätte Albers gern etwas mehr Skandinavien im Programm gehabt. Auch wegen des Fame-Faktors, denn nur die großen Namen ziehen genug Publikum an, um das Ganze zu finanzieren. Jo Nesbø zum Beispiel. Vor zwei Jahren eröffnete der Norweger das Festival, es kamen tausend Besucher, nur um ihn zu sehen. Im Schnitt sind rund 300 Leute in den Festival-Lesungen. Aber Nesbø ist zur besagten Zeit in den USA, auf ihn und sein neues Buch „Koma“ müssen die Hamburger also verzichten. Schade, Kommissar Harry Hole, ein toter Polizist im Wald und ein Koma-Patient unter Polizeischutz hätten sich gut gemacht.

Die Auftaktveranstaltung am kommenden Dienstag gehört dann, wie schon im vergangenen Jahr, dem Gerichtsmediziner Michael Tsokos. Der Leiter des Rechtsmedizinischen Institutes der Berliner Charité liest aus seinem neuen Buch „Die Klaviatur des Todes“. Tsokos ist so etwas wie der Ferdinand von Schirach der Forensik. Strafverteidiger Schirachs Kurzgeschichten basieren, so sagt er, auf Mandanten seiner Kanzlei. Tsokos erzählt von den Toten auf seinem Seziertisch. Die Bücher der beiden Berliner leben von der präzisen und realitätsnahen Schilderung ihres Berufsalltags. Und beide spielen mit dem, was Die Zeit das Tatort-Syndrom nannte. Die Deutschen mögen es einfach, sich mit dem Üblen, den Abweichenden, dem Angstmachenden berieseln zu lassen – sei es am Sonntagabend oder in Buchform. Kein schlechter Auftakt also.

Auf große Namen aus Skandinavien müssen die Organisatoren doch nicht verzichten, geht ja bei einem Krimifestival eh schlecht. Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt, die im deutschsprachigen Raum 2011 ihr Krimi-Debüt um den Kriminalpsychologen Sebastian Bergman und die Stockholmer Reichsmordkommission veröffentlicht haben, werden aus ihrem dritten Bergmann-Krimi „Die Toten, die keiner vermisst“ lesen. Ihre Bücher sind ein Riesenerfolg, die Verfilmungen der ersten beiden Bücher liefen gerade im ZDF. Allerdings fallen die Filme etwas ab. Merkwürdig eigentlich, denn die zwei Schweden kommen aus dem Drehbuchfach und hatten die Bergmann-Reihe ursprünglich als Film geplant. Gemeinsam haben Hjorth und Rosenfeldt am letzten „Wallander“-Film „The Pyramid“ mit Rolf Lassgård in der Rolle des Kurt Wallander gearbeitet. Jenem Rolf Lassgård, der auch den unglücklichen Unsympathen Bergmann spielt. Die verschlossene, manipulative und komplexe Figur wird in den Büchern aber deutlich besser entwickelt. Den deutschen Text liest in Hamburg Stephan Benson, der schon Daniel Craig seine Stimme lieh.

Ihre Prominenz müssen die Hamburger Festivalmacher allerdings teilen. Wer mag, kann in diesem Krimifestival-Herbst gar ein bisschen Autoren-Stalking betreiben. Zum Beispiel Schweden-Autoren-Stalking: Am 27. Oktober lesen Hjorth und Rosenfeldt beim Lüneburger Krimifestival, am 29. November in Braunschweig und einen Tag später in Hamburg. Eigentlich, so sagt Albers, sehen sie immer zu, dass die Autoren erst in Hamburg und dann in Lüneburg auftreten. Aber nun, das klappte dieses Mal nicht. Eine Konkurrenz sei das Lüneburger Pendant aber ohnehin nicht. Die haben in diesem Jahr allerdings Nesbø.

Nach einer guten Idee klingt der Abend „Rechter Terror, linker Terror“ (30. 10.). Gregor Weber, der Ex-Saarland-Tatortkommissar Stefan Deininger, liest aus seinem zweiten Buch „Keine Vergebung“, in dem die Spuren nach einem Polizistendoppelmord in rechtsextreme Kreise und zum Verfassungsschutz führen. Den Gegenpart übernimmt der ehemalige Fernsehjournalist Horst Eckert mit „Schwarzlicht“, in dem Kommissar Vincent Che Veih, Sohn einer jahrzehntelang inhafierten RAF-Terroristin und Enkel eines Nazi-Vaters, den Mord an Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident aufklären soll. Bleibt abzuwarten, ob das Konzept eines politischen Krimi-Abends aufgeht oder ob es sich nur gut anhört.

Erwähnt sei noch, um die breite Palette anzudeuten, dass die obligatorischen Norddeutschland- und Hamburg-Abende nicht fehlen. So viel Lokalkolorit muss bei einem Hamburger Festival sein. Aber gerade der Hamburger Abend ist unter anderem mit Frank Göhre gut besetzt – er liest aus seinem Sammelband „Geile Meile“. Blöder Titel, prima Buch.

Hamburger Krimifestival: 29. 10. bis 2. 11., Kampnagel, Jarrestr. 20 www.krimifestival-hamburg.de