Mann für gute Gelegenheiten

ZERSTÖRTE VIELFALT Das Berliner Bauhaus Archiv stellt Werbegrafiken des Bauhaus-Lehrers Herbert Bayer vor. Den Nazis galt sein Werk als entartet, dennoch arbeitete er für sie

Herbert Bayer hat sein konsequent modernes Gestaltungsprogramm ohne künstlerische, so doch politische Konzessionen nach 1933 durchgezogen. Umso bedauerlicher, dass seine nach der Emigration entstandenen Arbeiten in der Ausstellung ausgespart werden

VON BRIGITTE WERNEBURG

Das von Herbert Bayer entworfene Plakat für den Ball des Internationalen Filmkongresses 1935 hat, wie bei ihm zu erwarten, Rasanz und Stil – und ein deutlich sichtbares Hakenkreuz im Wirbel der vielen Länderflaggen. Der ehemalige Bauhäusler konnte auch nach der Machtergreifung der Nazis 1933 nicht über mangelnde Aufträge klagen. Im Gegenteil, er war mit seiner avancierten Bildsprache aus Fotografie, moderner Typografie, Collage und Airbrush-Illustration, die er dem NS-Staat zur Verfügung stellte, einer der bestbezahlten Grafikdesigner im Reich, wie sein Jahreseinkommen von 1936 belegt: 18.000 Reichsmark. Im Vergleich dazu durfte ein leitender Angestellter mit Hochschulabschluss in der Industrie mit rund 6.000 Reichsmark Jahreseinkommen rechnen.

So bekannt Herbert Bayers Werk aus den Bauhaus-Jahren ist – seine surrealistische Montage der linken und der rechten Hand vor einer Hausfassade aus deren Handinnenfläche uns ein Paar Augen entgegenblickt, ist in jedem einschlägigen Werk über die Avantgarden des 20. Jahrhunderts zu finden – so wenig wurde bislang sein Schaffen nach seinem Ausscheiden aus dem Bauhaus bis zu seiner Emigration in die USA thematisiert. Hier setzt nun das Bauhaus-Archiv mit seiner Ausstellung „mein reklame-fegefeuer. Herbert Bayer und die deutsche Werbegrafik 1928-1938“ an und stellt im Rahmen des Berliner Themenjahres 2013 „Zerstörte Vielfalt“ eine grundlegende Recherchearbeit des Kurators Patrick Rössler vor.

Herbert Bayer, 1900 in Haag in Oberösterreich geboren, lernte auf der Darmstädter Mathildenhöhe über eine Assistenz bei dem Architekten Josef Emanuel Margold das Bauhaus kennen, an dem er von 1921 bis 1925 studierte. 1925 ernannte ihn Walter Gropius zum Leiter der neuen Werkstatt für Druck und Reklame und beauftragte ihn mit der Gestaltung der schuleigenen Drucksachen.

Avantgardeposition

1928 kündigte Bayer am Bauhaus und ging nach Berlin, wo er als Leiter des Grafikstudios der amerikanischen Werbeagentur Dorland Hunderte von Plakaten, Buch- und Zeitschriftentitel, Werbeanzeigen und -broschüren entwarf. Daneben arbeitete er als Ausstellungsdesigner. Sein künstlerischer Ehrgeiz allerdings lag entschieden im Bereich der modernen Malerei.

Insofern mag es Bayer in seiner Avantgardeposition beruhigt haben, dass seine 1924 entstandene „Landschaft im Tessin“ 1937 in der Ausstellung „Entartete Kunst“ diffamiert wurde. Zur gleichen Zeit also, in der er ein absolut hinreißendes, vollkommen surreales Puppenhaus der modernen Abstraktion baute, eine Gemäldegalerie aus Faltkarton für die Herren- und Sport-Kleiderfabrik GmbH, in der dicht an dicht in Petersburger Hängung, Stoffmuster in schweren Rahmen die Wände bedeckten. Das einzige figurative Bild der Galerie war ein Porträt von Heinz Rühmann. Gleichzeitig entwarf er für die Konfektionsindustrie Plakate, Werbeanzeigen und Faltblätter etwa für „Regnol das Kennzeichen für wasserabstoßend imprägnierte Kleidung aus arischer Hand“.

Dass seine während der NS-Zeit entstandenen Arbeiten hinter seine frühen und international berühmten Bauhaus-Arbeiten zurückfallen, wie etwa das preisgekrönte Titelblatt der Bauhaus-Zeitschrift 1928, oder sein Plakat für die Section allemande auf der Société des artistes décorateurs-Ausstellung in Paris 1930, lässt sich trotzdem nicht sagen. Es gab, das wird in der sehenswerten Ausstellung deutlich, keinen grundsätzlichen Widerspruch zwischen NS-Staat und Moderne.

Seine in Bauhauszeiten entwickelte ultramoderne Universal-Alphabet-Type wurde bis 1943 für den Zeitschriftenkopf der Modezeitschrift die neue linie verwendet. Die Gestaltungsfreiräume in der angewandten Kunst im Nationalsozialismus waren sehr viel größer, als man glauben möchte. Dass die Gestaltung dann meistenteils doch entsetzlich piefig bis völlig rückwärtsgewandt war, lag wohl daran, dass die Falschen zum Zuge kamen, nachdem die guten Leute vertrieben worden waren.

Die Ausstellung belegt, dass Herbert Bayer sein konsequent modernes Gestaltungsprogramm ohne nennenswerte künstlerische, so doch politische Konzessionen auch nach 1933 durchgezogen hat. Umso bedauerlicher ist es daher, dass die Ausstellung seine Arbeiten nach der Emigration vollkommen ausspart. Bayer verließ Deutschland 1938, um auf Walter Gropius’ Einladung hin die Bauhaus-Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art zu gestalten. Dass die ideellen und gestalterischen Prinzipien der europäischen Moderne hier zu Wort kamen, versteht sich von selbst. Aber just mit dieser Avantgarde-Ästhetik rüstete Bayer 1942, in der bis dato erfolgreichsten MoMA-Ausstellung „Road to Victory“, die USA patriotisch für ihren Kriegseinsatz auf. Der Überzeugungstäter für gute Gestaltung und totales Design sah immer nur gute Gelegenheiten, doch nur manchmal waren sie es auch.

■  Bis 24. Februar, Bauhaus-Archiv Berlin, Katalog 29 Euro