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Scenes from the Class Struggle in Portugal USA 1977, R: Robert Kramer / Originalfassung mit Untertiteln

Das Signal zur Revolution kam am 25. April 1974 kurz nach Mitternacht über Radio Renascenca: „Grândola, Vila Morena“, das verbotene antifaschistische Lied des Musikers Jose Alfonso, wurde innerhalb von Stunden zur Hymne des Aufstands. Für die Soldaten des klandestinen Movimento Forcas Armadas war es das verabredete Signal zum Sturz der salazaristischen Diktatur.

Der US-Bürger Robert Kramer reiste 1975 nach Portugal. War dabei bei Demonstrationen, Diskussionen auf der Straße, Versammlungen in besetzten Betrieben, Festen. Hat interviewt, beobachtet. Gespräche geführt mit revolutionären Soldaten, KleinbäuerInnen, Studierenden, ArbeiterInnen, BewohnerInnen von Barackensiedlungen. Mit denen, die die Nelkenrevolution an der Basis vorantreiben wollten.

„Scenes from the Class Struggle in Portugal“ ist ein bewegendes Dokument der zwei Jahre, in denen so viel an Befreiung, an Vergemeinschaftung und Demokratisierung von Politik und Produktion möglich schien. Sozialismus war in aller Munde – entweder als anzustrebendes Ziel – oder als mit allen Mitteln zu verhindernde Schreckensvorstellung. Bis zur Nelkenrevolution herrschte in Portugal die faschistische Diktatur von Antonio de Oliveira Salazar, der seit 1926 an der Macht war. Mit einer brutalen Geheimpolizei, mit außergerichtlichen Erschießungen, mit Folterzentren. Die Profiteure der Diktatur und ihre Schergen hatten viel zu verlieren. Destabilisierten deshalb das Land mit Kapitalflucht und -boykott oder gründeten faschistische Untergrundgruppen, die landwirtschaftliche Kooperativen und linke Parteibüros in Brand setzten, besetzte Betriebe überfielen.

Wo Kramer nicht selbst dabei war, hat er Archivmaterial des staatlichen RTVP nutzen können. Am überzeugendsten ist der Film, wenn einfache Leute auf der Straße vor der Kamera über ihre Hoffnungen und Forderungen sprechen. Und über die Armut in den Elendsvierteln. Hier kommt es ans Licht, nichts wird wegdiskutiert.

Gewöhnungsbedürftig ist die Präsenz des Kommentars. Lieder werden nur kurz angespielt, Interviewsequenzen kurz gehalten – dominiert wird die Tonspur von einem analytischen, Zusammenhänge erklärenden Kommentar. Das entspricht dem Ton der Zeit und bewirkt, dass angesprochen wird, was im modernen Dokfilm oft im Diffusen bleibt: Bezugnahmen, Hintergründe, eine marxistische Analyse. Empfehlenswert ist das Buch zum Film, das auch den Film auf DVD enthält: 25. April 1974 – Die Nelkenrevolution, soeben erschienen im Laika-Verlag. Dort lässt sich etwa nachlesen, warum die traditionelle KP eher eine bremsende Wirkung in der sozialen Revolution hatte – aus Angst vor der Rückkehr der Diktatur – und deshalb gegen Streiks und Besetzungen war. Und wie es neben ihr in der vielfältigen revolutionären Linken eine in der Bewegung verankerte Alternative gab.  Gaston Kirsche

Fr, 20 Uhr, Volxküche, Hafenstraße 116, Hamburg