Van Bo Le-Mentzel will die Miete abschaffen

MOBILES WOHNEN Das 10-Quadratmeter-Haus des Schöpfers der Hartz-IV-Möbel kann bei den Citizen Art Days besichtigt werden

Klein, aber mein – so soll es sein, das traute Heim, das Van Bo Le-Mentzel entworfen hat: ein Haus, das man sich selbst bauen kann und das alles enthält, was man zum Leben braucht. Und das auf einen Autoanhänger passt, sodass man mit ihm hinziehen kann, wohin man will. Das Häuschen enthält eine Schlafstelle, eine winzige Kochecke, Toilette und Dusche. Die verglaste Front kann man so ausklappen, dass ein kleiner Wohnbereich entsteht. Das Shed-Dach, durch das von oben Licht einfällt, hat Le-Mentzel sich bei Walter Gropius’ Bauhaus-Archiv abgeguckt.

In den USA sind „Tiny Homes“ schon seit einigen Jahren in Mode. Nun steht ein Prototyp des mobilen Heims, der für eine Ausstellung der Neuen Pinakothek in München entstanden ist, in Kreuzberg. Bei den Citizen Art Days in der Markthalle 9 an der Eisenbahnstraße kann man einen Blick in die Miniatur-Behausung werfen oder sogar eine Nacht darin verbringen.

Der Berliner Architekt Le-Mentzel ist durch seine Hartz-IV-Möbel bekannt geworden: Bausätze für Selbstbaumöbel, die man mit Materialien aus dem Baumarkt billig selbst herstellen kann. Nach der bezahlbaren Inneneinrichtung der Wohnung geht es bei „Unreal Estate“ diesmal um bezahlbare Wohnungen.

Der Grundriss der transportablen Bleibe ist gerade so groß wie ein Parkplatz: zwei mal fünf Meter, auf denen man sein Auto in Berlin in der Regel kostenlos abstellen kann. „In München kostet ein Quadratmeter Wohnraum bis zu 15.000 Euro, in Berlin immerhin noch 3.000 Euro“, rechnet Le-Mentzel vor. „Was unsere Autos da verkonsumieren! Ich weigere mich, diesen Platz den Autos zu geben. Ich finde, dieser Raum muss den Menschen vorbehalten bleiben. Ich will die Miete abschaffen.“

Finanziert hat Le-Mentzel die erste Version seines Minaturhauses per Crowdfunding im Internet. Die „Crowd“, die da 3.000 Euro gestiftet hat, ist für Van Bo Le-Mentzel, was für Marx das Proletariat war: eine gesellschaftsverändernde Kraft, deren Macht man nur in die richtige Richtung lenken muss. Zuletzt hat er durch Crowdfunding einen Turnschuh finanziert, der ökologisch korrekt und unter fairen Bedingungen produziert wurde.

Wer kein Geld hat, kann auch durch Mitmachen einen Anteil an dem Haus erwerben – zum Beispiel, indem er beim Bau hilft. Durch derartiges „Prosuming“, bei dem die Konsumenten zu aktiven Mitproduzenten werden, will Le-Mentzel dem Neoliberalismus ein alternatives Wirtschaftsmodell entgegenstellen: „Es wird Zeit, darüber zu reden, welche Dinge wir wirklich brauchen. Wir brauchen Wasser, Nahrung, Kleidung, Möbel, Wohnraum. Dann lass uns mal darüber nachdenken, wie wir diese Güter herstellen können, ohne dass Ausbeutung stattfindet, die Umwelt zerstört wird und die Leute einen Burn-out haben. Das ist möglich, aber nicht mit den Methoden der Old Economy.“

Die Immobilienspekulation, die in Berlin in den letzten Jahren die Mieten in Höhen schießen ließ, welche nicht der wirtschaftlichen Situation der Stadt entsprechen, ist für ihn ein Beispiel für diese ungute Macht der Wirtschaft: „Es ist für jeden Menschen ein Grundrecht, da zu leben, wo er will“, sagt er. „Die ganzen türkischen Familien aus Kreuzberg müssen nach Hellersdorf ziehen, weil sie es sich dort nicht mehr leisten können. Das geht nicht. Wohnen ist ein Grundrecht.“ In sein 10-Quadratmeter-Haus passt eine Familie freilich auch nicht hinein. „Aber man kann durch solche Projekte das Problem thematisieren“, sagt Bo-Mentzel.

TILMAN BAUMGÄRTEL

■ Bis kommenden Sonntag in der Markthalle 9 in Kreuzberg www.citizenartdays.de