Violent Femmes in Charlottenburg

JUNGE STIMME Stephen Malkmus, Pavement-Legende, hat ein neues Album aufgenommen, das die Musik seiner Jugend feiert

Malkmus plaudert so unbefangen von der Adoleszenz, vom Entdecken der Musik, dass man unmittelbar eine solche Zeit herbeisehnt

Being Stephen Malkmus, das ist vielleicht nicht immer so leicht. 9 Uhr Ortszeit in New York, ein Januarmorgen. Malkmus, einst Sänger und Schrabbelgitarrenheld bei der Rockband Pavement, Indie-Ikone, soll über sein neues Album sprechen. Seine Familie wuselt hörbar um ihn herum, und sowieso – damn – es ist noch früh. „Oh, ich spreche gerne über meine Musik, aber ich habe 40 Millionen Interviews heute“, erklärt eine bemühte, aber etwas zerknirschte Stimme am anderen Ende der Leitung.

Being Stephen Malkmus, das muss manchmal phantastisch sein. Denkt man sich, während man die flockig-leichten, verspielten Klänge hört, die Stephen Malkmus And The Jicks jüngst unter dem Titel „Wig Out At Jagbags“ veröffentlicht haben. Beschwingte Slacker-Gitarren, ein Saxofon mit ordentlich Soul oder auch mal eine stoische Trompete sind darauf zu vernehmen – dazu die zarte, coole Stimme des Stephen Malkmus, die nicht zu altern scheint.

Dieser Malkmus hat die Geschichte des Indierock als Gründer der Band Pavement mitgeschrieben. Malkmus’ frühere Band aus Portland, die es von 1989 bis 1999 und dann 2010 für eine kurze Reunion gab, war neben Sonic Youth, Dinosaur Jr. und Motorpsycho eine der Gruppen mit der größten Reputation in Indie-Kreisen. Im Vergleich zu diesen Bands hatten sie einen etwas leichteren, cleaneren Sound, den man dann Slacker-Sound nannte, klang er doch angepisst bis nölig. Die lakonischen Texte, die es nun auf dem neuen Album auch wieder zu hören gibt, kennt man bereits allzu gut von Pavement.

So frisch und nach vorne klang der heute 47-Jährige lange nicht mehr. „Das Einzige, was klar war, war, dass wir eine groovige Platte machen wollten“, sagt Malkmus über den Entstehungsprozess des Albums. Jetzt sind Chöre wie bei den Beach Boys darauf zu hören, dann wieder Jazz-Gitarren, ein bisschen Wah Wah und ein dreckiges Solo drüber. Zusammen ergibt das fast ein Gute-Laune-Album. „Es war einfach eine recht unbeschwerte Zeit. Wir haben eine gute Art entwickelt, zusammen Musik zu machen. Kann sein, dass das Ergebnis diesmal sehr relaxt klingt.“

Stephen Malkmus and the Jicks gibt es seit 2000 – ein Jahr nach dem Split von Pavement gründete Malkmus eine neue Band, der derzeit noch Schlagzeuger Jake Morris, Gitarrist Mike Clark und Bassistin Joanna Bolme angehören. Aufgenommen haben sie „Wig Out At Jagbags“ in den La Chapelle Studios in den belgischen Ardennen. „Das war toll, ein kleiner Ort, eine ländliche Gegend, nur wir und ein paar Freunde“, sagt Malkmus. „Ich glaube, Marvin Gaye hat dort auch mal eine Platte aufgenommen.“

Die wichtigsten Einflüsse für „Wig Out At Jagbags“ hingegen kommen ausgerechnet aus Deutschland. Malkmus hat zwischen 2011 und 2013 in Berlin und in Köln gelebt – entsprechend liest sich eine Inspirationsliste, die der Musiker für „Wig Out At Jagbags“ erstellte: Die Krautrocker Can tauchen da genauso auf wie die Künstlerin Rosemarie Trockel oder ein China-Restaurant in Charlottenburg. An erster Stelle aber nennt er die Stadt Köln. In der Domstadt hat Malkmus 2012 gemeinsam mit der Band Von Spar eine Neuinterpretation des Can-Albums „Ege Bamyasi“ eingespielt.

Auch die Band Weezer nennt Malkmus als Einfluss beziehungsweise „Weezer, wie Stephen Malkmus sie sich vorstellen würde“. Und die Songs klingen stellenweise wirklich ähnlich großartig wie deren „Pinkerton“-Album von 1996 (welches, und damit schließt sich der Kreis, sicher auch von Pavement beeinflusst war). Und zwar nicht nur vom Sound, sondern auch von der Leichtigkeit der Narration. In „Lariat“ plaudert Malkmus so unbefangen von der Adoleszenz, vom Entdecken der Musik, dass man unmittelbar eine solche Zeit herbeisehnt: „We grew up listening to the music from the best decade ever“, heißt es da im Refrain.

Während man auf Malkmus’ jüngstem Album auch einen dicken 70er-Einschlag hört, zählt er im Gespräch seine 80er-Helden auf: „Die Violent Femmes, Echo & The Bunnymen, The Jesus + Mary Chain, das waren die Bands meiner Jugend, unter anderem.“ Diese Jugend, so legt „Wig Out At Jagbags“ nahe, hat Malkmus ganz gut konservieren können. Manchmal muss es sich gut anfühlen, Stephen Malkmus zu sein. JENS UTHOFF

■ „Wig Out At Jagbags“ von Stephen Malkmus And The Jicks ist bei Domino Records erschienen. Live am 27. Januar, im Postbahnhof. 20 Uhr, 25 Euro