Immer lichter

FILM In „Licht und Schatten“ zeigt das Museum für Film und Fernsehen Standbilder aus Filmen der Weimarer Republik

VON TILMAN BAUMGÄRTEL

Vom Schatten zum Licht – so könnte man grob die Richtung beschreiben, in die sich die Ausstellung „Licht und Schatten“ bewegt: Im Museum für Film und Fernsehen am Potsdamer Platz sind Fotos aus Filmen der Weimarer Republik zu sehen, beginnend mit düsteren Bildern aus der Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg. Deutsche Regisseure dieser Zeit bedienten sich bei der Formensprache des malerischen Expressionismus – eigentlich einem Phänomen der Vorkriegszeit – um die krisenhafte Situation der Nachkriegszeit im Studio in dramatischen Bilder voller extremer Hell-Dunkel-Effekte zu verdichten. „Das Filmbild muss Grafik werden“, dekretierte damals der Filmarchitekt Hermann Warm – eine Grafik voller schräger Linien, scharfer Spitzen, schwindelerregender Perspektiven und rätselhafter Schatten.

Im Verlauf der 20er Jahre, als in der Kunst die Neue Sachlichkeit aufkam, wurden jedoch auch die Filmbilder heller und aufgeräumter; bei Filmen wie „Menschen am Sonntag“ verließ die Kamera das Studio, um das Berlin der „Roaring Twenties“ in lichten Bildern festzuhalten. Mit der Machtübernahme Hitlers endete dieses goldene Zeitalter des deutschen Films. Fritz Lang, Robert Siodmak, Max Ophüls und andere emigrierten in die USA. Dort schufen sie Filme, die diesen spezifisch deutschen Stil ins visuelle Idiom Hollywoods einschleusten.

Der Untertitel der vom Filmwissenschaftler Hans Helmut Prinzler kuratierten Ausstellung ist etwas irreführend: „Am Filmset der Weimarer Republik“ suggeriert, dass man sieht, wie die Filme, die Deutschland als Filmland international bekannt gemacht haben, entstanden sind. Tatsächlich sind nur etwa zwei Dutzend Bilder zu sehen, die wirklich zeigen, was bei den Dreharbeiten hinter der Kamera geschah – und die werden nicht weiter kommentiert. So muss sich der Zuschauer selbst die Frage beantworten, ob das Gerüst, das man am Filmset von Murnaus „Der letzte Mann“ sieht, dasjenige war, mit dessen Hilfe Karl Freunds „entfesselte Kamera“ von der Trompete eines Straßenmusikers zum Mietskasernenfenster des Protagonisten flog. Auch bei anderen Bildern wäre es eine interessante – und im Zeitalter der Flachbildmonitore leicht machbare – Sache gewesen, den Standbilder bewegten Sequenzen aus den jeweiligen Filmen gegenüberzustellen.

Passendes Schummerlicht

Die überwiegende Mehrheit der 225 Filmfotos aus 65 Filmen der Weimarer Republik sind Fotos, die während der Dreharbeiten für die Vermarktung aufgenommen wurden – für Cineasten sind sie ein Vergnügen. Alle Bilder sind Originale aus dem Archiv der Deutschen Kinemathek, die im vergangenen Jahr bereits in einem opulenten Bildband veröffentlicht wurden. Weil diese Fotos aus restauratorischen Gründen nicht mit mehr als 50 Lux angestrahlt werden dürften, ist die ganze Ausstellung in ein thematisch sehr passendes Schummerlicht getaucht.

Manche von ihnen sind ikonische Bilder, die schon in vielen Veröffentlichungen zum Thema zu sehen waren: etwa Dr. Caligari (Werner Krauss) vor seinem überlebensgroßen Schatten oder der aus extremer Untersicht aufgenommene Graf Orlok (Max Schreck) an Deck des Schoners, der ihn in Friedrich Murnaus „Nosferatu“ nach Wisborg fährt. Auch andere Klassiker wie „M“, „Die Nibelungen“ oder „Emil und die Detektive“ sind durch zahlreiche Bilder vertreten.

Viele der Standfotos stammen jedoch aus wesentlich unbekannteren Filmen. Erst die Gesamtschau von Standbildern zeigt, dass sich der visuelle Stil der deutschen Stummfilme nicht nur auf einige filmgeschichtlich kanonisierte Meisterwerke beschränkt, sondern auch weniger namhafte Werke prägte.

Als Ergänzung wird im Berliner Filmmuseum die Ausstellung „The Unseen Seen“ mit Fotografien von Reiner Riedler gezeigt. Der österreichische Fotograf hat Filmrollen aus dem Archiv der Deutschen Kinemathek mit hellem Licht durchleuchtet und von der Seite fotografiert – die Filmrollen erstrahlen wie kreisrunde, abstrakte Kompositionen in Orange, Himmelblau, Dunkelrot.

Die Ausstellung erinnert an die Gefährdung, der das kinematografische Erbe durch Alterung des empfindlichen Filmmaterials ausgesetzt ist. Zuletzt hat eine Reihe von Berichten über die unzureichenden Lagerungsbedingungen für historische Filme im Bundesarchiv auf den drohenden Verlust von Kinogeschichte hingewiesen. Eine schwer beschädigte Rolle des Films „Ein schlechtes Hotel und eine gute Versicherung“ von 1925 sieht auch von der Seite aufgenommen nicht so aus, als könnte man sie noch einmal durch einen Projektor laufen lasen.

Bis 27. April