Melancholie steht ihnen gut

ELEKTROPOP „Warum bin ich hier und nicht in Bangkok?“, fragt sich das Duo Paula auf ihrem neuen Album und liefert Antworten gleich mit. Es liegt am Erwachsenwerden der Musiker und natürlich der Stadt Berlin

VON THOMAS WINKLER

Man merkt schnell, dass sich Berend Intelmann nicht gerne fotografieren lässt. Man merkt das an dem leicht gequälten Lächeln, das er für die Kamera aufsetzt. Und an dem Geschick, mit dem er sich beim Fototermin an diesem sonnigen Tag in einem Kreuzberger Hinterhof im Hintergrund zu halten versteht. Ein Geschick, das angesichts der Tatsache, dass der schüchterne Intelmann eine Hälfte der Popband Paula ist und deshalb nur die schmale Elke Brauweiler hat, um sich dahinter zu verstecken, schon an Kunstfertigkeit grenzt.

Paula, die man einmal als Erfolgsduo bezeichnen konnte, sind wieder zusammen. Intelmann hatte die Band, die er zusammen mit Brauweiler 1997 gründete, Mitte der Nullerjahre verlassen. In der Zwischenzeit übernahm die Sängerin die alleinige Regie. Das neue Album trägt den denkbar schlichten Titel „Paula“. „Wir haben versucht, die Quintessenz von Paula auf den Punkt zu bringen“, sagt Brauweiler, „elektronische Popmusik mit deutschen Texten und einem schwelgerischen Sound, in dem man sich wohlfühlen kann.“

Aufgenommen wurde das Album in der alten Arbeitsteilung: Intelmann schreibt die Songs, die Brauweiler singt, zusammen spielen, programmieren und produzieren sie die Musik. Neu ist, dass nun auch immer mal Intelmanns Stimme zu hören ist. Und, sehr viel überraschender, dass Paula trotz der Pause den aktuellen Zustand ihrer Heimatstadt wieder zielsicher auf den Punkt bringen.

Denn während Berlin älter geworden ist und ein wenig müde auf seinen eigenen Hype blickt, mussten sich Paula dafür gar nicht so sehr verändern. Schon als Brauweiler und Intelmann ihre ersten Erfolge feierten, wirkten ihre melancholischen Songs immer ein wenig aus der Zeit gefallen, weit weg von der selbstbesoffenen Partywelthauptstadt. Die hatte eher die Konkurrenz von 2raumwohnung mit dem Soundtrack versorgt, Paula dagegen wollten die große Geste, Zeitlose, mitunter Prätentiöse. Das hat ihnen damals den Vorwurf eingetragen, Brauweiler sänge Schlager mit Elektro-Beats. Ein Vorwurf, dem Intelmann ungefragt entgegen tritt: „Paula, das ist für mich gute Songs in deutscher Sprache mit einer sehr speziellen Stimme, ohne in den Schlager zu schliddern.“

Die raumgreifenden Emotionen und die alte Melancholie prägen auch das neue Album, es klingt sogar noch ein wenig desillusionierter als die älteren Werke. Das mag an den sanften Einflüssen von aktuellem R&B und Dubstep liegen, an „einer musikalischen Erneuerung, die nicht auf Teufel komm raus modernistisch ist“, wie Brauweiler es formuliert. Jedenfalls flattert der Sequenzerrhythmus, den Paula, als sie sich 1997 zusammentaten, von den Pet Shop Boys geklaut haben, längst nicht mehr so selbstvergessen.

Dafür heißt schon das erste der neuen Lieder „Was für ein Ende“ und erzählt von einem Paar, das beschließt, nicht nur ihr Auto, sondern auch gleich ihre Beziehung im Stau auf der Autobahn zurückzulassen. „Komm, wir räumen das Gelände“, singt Brauweiler, „das hab ich mir anders vorgestellt, dass alles so in sich zusammenfällt.“

Berlin wird erwachsen, und wenn es über steigende Mieten klagt und über die Touristenschwemme, dann sind das Wachstumsschmerzen. „Nichts gegen das Erwachsensein“, sagt Berend Intelmann, der mittlerweile Vater geworden ist, „aber irgendwann muss man der Tatsache ins Auge sehen, dass man nicht mehr zu den Jungen gehört, die diese Stadt prägen.“ Dafür gehören beide nun zu denen, die immer noch in dieser Stadt wohnen, sich aber mittlerweile womöglich die Frage stellen „Warum bin ich hier und nicht in Bangkok?“, wie Brauweiler singt. Die Antwort: „Ich könnte überall hin. Stattdessen liege ich hier und denke: Wahrscheinlich liebe ich Berlin.“

Diesem Berlin haben Paula mit ihrem neuen Album ein paar Lieder geschenkt, in denen sich die Stadt wiedererkennen kann – Lieder, die sich nicht in der Vordergrund drängeln, aber dafür sehr schön gequält lächeln können.

■ Paula: „Paula“ (QQ5, the Label by JSM/Rough Trade). Live sind Paula am 10. April im Privatclub zu sehen