Roman „Isabel“ von Feridoun Zaimoglu: Somnambul durch die Gegend laufen

Viel Gewalt, Psychopathen, gestörte Kommunikation: In seinem neuen Roman „Isabel“ schickt Feridun Zaimoglu seine Heldin durch ein bedrückendes Berlin.

Zaimoglus „Isabel“ wirk manchmal wie eine Sightseeingtour durch Berlin. Bild: mimo7985 / photocase.de

Nach preisgekrönten Werken wie „Leyla“ und „Ruß“ ist nun Feridoun Zaimoglus neuer Roman „Isabel“ erschienen. Einige Rezensenten waren ganz begeistert. Die FAS nannte den in der Türkei geborenen und in Deutschland aufgewachsenen Autor gar den „Thomas Mann unserer Zeit“. Der unsinnige Vergleich hatte den Kieler Schriftsteller nicht so gefreut. Dieser Klassiker habe ihn völlig kalt gelassen: „Thomas Mann: ein biederer und verklemmter Mann“, erklärte er dem Interview-Magazin.

Am Anfang seines Berlin-Romans also steht der Auszug. Isabel, eine Frau, Mitte dreißig, vielleicht Anfang vierzig, liest den Abschiedsbrief des Mannes, mit dem sie „drei Jahre und zwölf Tage“ zusammen gewesen war: „Männer ohne Land. Frauen ohne Himmel. Zeit nach den Exzessen. Aufgebrauchtes, aufgesogenes Licht – Schluss.“

Mit ihrer Hündin Ruby und einem Umzugshelfer verlässt Isabel die alte Wohnung und bringt ihre Sachen in eine andere Wohnung am Alexanderplatz, in der zuvor Juliette gewohnt hatte, eine Freundin, die sich das Leben nahm. In dieser Wohnung hält sie sich nur selten auf. Ihr Leben ist aus den Fugen geraten. Es gibt keinen Ort, an dem sie zu Haus ist.

Isabel isst in Obdachlosenküchen, kauft in Umsonstläden ein, geht in Kleiderkammern; sie ist unterwegs mit Helga, einer „Flaschenpflückerin“. Oder trifft sich in Schöneberg mit Schwulen und Transen, die sich ihr Geld auf dem Strich verdienen. (Und ein bisschen so wirken, als wären sie für den „Tatort“ gecastet; was nicht negativ zu verstehen ist.) Sie war wohl mal Model, nun sitzt sie für Geld mit Keuschheitsgürtel auf der Bettkante; ihren Rücken einem reichen Ehepaar zugewandt, das dabei Sex hat. Selbst hat sie ein eher unentspanntes Verhältnis zum Sexuellen – die zwei Leute, die sie nachts zufällig beim Sex beobachtet, zeigt sie bei einem Polizisten an, der ihr wiederum einen Vogel zeigt.

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Beide sind traumatisiert

Oft denkt sie an ihre Freundin, die sich das Leben genommen hat. Später taucht ein Mann auf, Marcus, der fast durchgehend „Soldat“ genannt wird, weil er in Afghanistan stationiert war und als Sicherheitsmann in einer Uni-Mensa arbeitet.

Beide scheinen traumatisiert zu sein; Marcus hatte in Afghanistan ein Kind überfahren, das von seinem eigenen Vater vors Auto geschubst wurde, in der Hoffnung auf Blutgeld; worin Isabels Trauma besteht, wird nicht gesagt.

Sie rennt nur ein bisschen somnambul durch die Gegend; dass sie sogleich nach der Trennung von dem Mann, der auch fürs Geld sorgte, ständig in Suppenküchen und Umsonstläden isst, kommt einem ein bisschen unwahrscheinlich vor; das Schöneberg voller Schwuler und Transen wirkt ein bisschen klischeehaft. Auch wenn es irgendwann heißt, ganz Schöneberg sei verliebt in diesen unbekannten Helden – Marcus –, der nicht aus Sympathie für Schwule, sondern weil er das Herz auf dem rechten Fleck hat, tags zuvor ein paar Jungs verprügelte, die Jagd auf Schwule machten.

Die Helden fahren auch etwas zu oft durch die Gegend, so dass man das Gefühl hat, Zaimoglu wolle den Leser mitnehmen auf eine Sightseeingtour durch Berlin, in dem er eine Weile gewohnt hat, um die Gegend seines Romans zu erkunden.

Sex tut nicht gut

In meist knappen Sätzen geht die Geschichte voran. Es gibt viel Gewalt, Psychopathen, gestörte Kommunikation. Manchmal wird es sexuell, aber das tut allen Beteiligten nicht wirklich gut. Es drängt sie ins Sexuelle, sie haben es nur so halb im Griff. Die Keuschheit, die Isabel nun für sich gewählt hat, hilft aber auch nicht.

In Träumen manchmal klingt Sehnsucht an nach einer unvordenklichen Geschichte. „Plötzlich fiel ihr ein Satz aus dem Buch im Traum ein: Hyazinthenpurpur strich sie sich auf Hals und Ellenbeugen. Isabel war beglückt.“

Das Berlin des Romans ist bedrückend. Entspannter geht es in der Türkei zu. Die Mutter möchte die Tochter verheiraten, Isabel willigt in die Treffen mit Heiratskandidaten ein, lehnt aber alle Bewerber ab. Die Menschen in der Türkei sind liebevoll beschrieben, aber es ist nicht mehr ihre Welt. So fährt sie zurück.

Feridun Zaimoglu: „Isabel“. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014, 240 Seiten, 18,99 Euro.

Wie bei vielen Berlinromanen klingt auch in „Isabel“ Döblins „Berlin-Alexanderplatz“ mit an. Das Buch ist spannend, man liest es in einem Rutsch; sehr gut hat mir eigentlich auch gefallen, dass man zeitweise den Faden verliert, um ihn später dann wieder zu finden.

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