Der Traumtänzer

DEBÜT Der Hamburger Hüseyin Tabak erzählt in „Deine Schönheit ist nichts wert“ von der ersten Liebe eines kurdisch-türkischen Zwölfjährigen in Wien

Veysel ist ein Poet, und dabei sagt der Zwölfjährige kaum etwas. Sein Vater, ein Kurde, hat ihn nach dem türkischen Dichter Asik Veysel benannt und sein träumerischer Blick auf die Welt ist tatsächlich der eines Dichters. Es ist noch nicht lange her, dass seine Familie aus der Türkei nach Österreich geflohen ist. Der Vater war als politischer Kämpfer lange im Gefängnis, danach wurde die Familie bedroht und schikaniert. Wien ist für sie Niemandsland: Sie können kein Deutsch, verstehen die Regeln nicht.

Veysel lernt langsam sich einen Reim auf dieses Leben zu machen, obwohl er sich ständig in intensive Tagträume flüchtet, denn ihn bewegen elementare Gefühle: Veysel ist verliebt in ein Mädchen aus der Nachbarschaft, und ihr zuliebe öffnet er sich gegenüber dieser fremden Welt. Kraft gibt ihm dabei – ein Gedicht. Ein Gedicht seines berühmten Namensvetters.

Indem er konsequent aus der Perspektive seines jungen Protagonisten erzählt, kann Regisseur Hüseyin Tabak von der harten Realität eines Lebens im Exil erzählen, ohne in einen sozialkritischen Klageton zu verfallen. Anders als seine Eltern, der ältere Bruder – der in die Kriminalität abgerutscht ist und den Vater hasst – und alle anderen Erwachsenen, denen er begegnet, ist Veysel noch ungebrochen, und er behauptet sich. Nicht durch Trotz oder Wut, sondern durch Sanftmut. Mit Adulkadir Tuncer hat Tabak einen sehr sympathisch und einfühlsam spielenden Hauptdarsteller gefunden: Tuncers Präsenz trägt den Film, aber auch bei den anderen Darstellern stimmt jede Nuance.

In Österreich räumte Hüseyin Tabak, geboren 1981, mit seinem Spielfilmdebüt, das auch von der Filmförderung Hamburg/Schleswig-Holstein mitfinanziert wurde, bei der Verleihung des Wiener Filmpreises im „Jänner“ dieses Jahres sensationell ab: Er wurde fürs beste Drehbuch, die beste Regie und den besten Spielfilm prämiert, nebenbei gab es auch noch einen Preis für die beste Musik. Tabak bezeichnete sich damals selbst als einen „Filmasylanten aus Deutschland“: Zwar hat er sich in Hamburg bei über 20 Produktionen vom Praktikanten bis zum Regieassistenten hochgearbeitet und selbst Kurzfilme gedreht, zum Regiestudium wurde er dann aber in Wien angenommen. Einen Namen machte er sich mit der Dokumentation „Kick Off“ (2010) über eine Obdachlosen-Fußballmannschaft und dem Kinderfilm „Das Pferd auf dem Balkon“ (2012). In „Deine Schönheit …“ gelingt es ihm nun, autobiografische Motive zu einer bewegenden, universellen Geschichte zu verdichten.  HIP

„Deine Schönheit ist nichts wert“ läuft im Abaton-Kino in Hamburg