Vielleicht ist die Störung nur meteorologisch bedingt

KINO AUS KASACHSTAN „Sunny Days“ von Nariman Turebayev hat einen ausgesprochen passiven Antihelden. Dieser Underachiever steht für sich allein

Die Sonne scheint im Film „Sunny Days“ des kasachischen Regisseurs Nariman Turebayev eigentlich nie, jedenfalls nicht im wörtlichen Sinne. In den Straßen liegt Schneematsch, und ein schmutziges, winterliches Grau dominiert das Stadtbild. Das heißt, wenn die Protagonisten nicht gerade wieder in schummerigen Spelunken rumhängen, in denen sich die Zeit mit Hilfe des Alkohols vergessen lässt.

Das Bild von Kasachstan, das Turebayev mit seiner lakonischen Tragikomödie zeichnet, ist kein gesellschaftlich geschärftes, wie man es im inzwischen mehrheitlich global finanzierten Festival-Weltkino so gern sieht. Vielmehr deutet der Regisseur in zahlreichen absurden Details an, dass die soziale Disposition seines namenlosen Antihelden eher auf ein Mentalitätsproblem zurückzuführen ist, das sich genauso im Fargo der Coen-Brüder wie dem Helsinki von Aki Kaurismäki finden ließe. Was Almaty mit diesen mythischen Orten des Independent-Kinos verbindet, ist der Schnee. Vielleicht handelt es sich also bloß um eine meteorologische Störung.

Dem Protagonisten aus „Sunny Days“ dürften die Gründe ziemlich egal sein, denn sein Problem ist ein ganz konkretes: Gerade wurde er von seiner Vermieterin wegen ausstehender Mietzahlungen rausgeschmissen und muss nun innerhalb weniger Tage seine Wohnung räumen. Ein Ausweichquartier hat er nicht, nur einen Freund und ein paar Frauenbekanntschaften, mit denen er es sich jedoch nach und nach verscherzt.

Das Dilemma des von Inkar Abdrash mit einem unnachahmlich hölzernen Stoizismus verkörperten Pechvogels besteht darin, dass nicht einmal dieser Ausnahmezustand seinen Überlebensinstinkt weckt. Es ist im Gegenteil seine ausgesprochene Passivität, die in Turebayevs Film so etwas wie eine äußere Handlung motiviert. Der Zufall kommt ihm zu Hilfe. Wie auch durch Zufall – und nicht etwa durch einen ausgeprägten Jagdinstinkt – immer wieder eine andere Frau in seinem Bett aufwacht.

Die Hauptfigur von „Sunny Days“ ist also ein klassischer Fall von „Underachiever“. In den Neunziger Jahren hätte man wohl „Slacker“ gesagt, doch Turebayevs unerschütterlichen Leistungsverweigerer umgibt auch eine existenzielle Schwere, die ebenfalls an seinen verstockten Mitmenschen oder seinem einzigen Kumpel Kana zu beobachten ist. Gesprochen wird in „Sunny Days“ ohnehin nur das Nötigste. Die einzig redselige Figur des Films ist bezeichnenderweise ein russischer Geschäftsmann, den der Pechvogel bei einem seiner Aushilfsjobs kennenlernt. Auch ihre gemeinsame Sauftour endet im Unglück: Am nächsten Morgen sind Ausweis und Führerschein verschwunden.

„Sunny Days“ ist dabei kein bitterer oder sonderlich hämischer Film. Am ehesten zeigt Turebayev noch Mitleid mit seinem traurigen Antihelden – wenn der etwa seine letzten Habseligkeiten am Straßenrand verkaufen muss und sich in seiner Gutgläubigkeit von einem alten Mann übers Ohr hauen lässt. Aber der Ton seines Films ist so reserviert, dass es mitunter schwer fällt, überhaupt eine Erzählerposition auszumachen. Und weil Turebayev eben auch nicht auf eine gesellschaftliche Gültigkeit abzielt, fällt seine Geschichte letztlich vielleicht etwas zu klein aus. Ganz sicher jedenfalls im Verhältnis zu seinem namenlosen Protagonisten, dessen Leidensfähigkeit eine tragische Größe besitzt. ANDREAS BUSCHE

■ „Sunny Days“. Regie: Nariman Turebayev. Mit Asel Kalijewa, Inkar Abdrash u. a. Kasachstan 2011, 101 Min.