Jan Jelinek remixt James DIN A 4: Techno meets Unkraut

Ein Gipfeltreffen zweier seltsamer Käuze: Jan Jelinek remixt James DIN A 4 und sucht dabei nach dem Dreh, der etwas neu macht.

Ausschnitt aus dem Plattencover von „Farben presents James DIN A4“. Bild: Morr Music

Er kreiert die Haute Couture der elektronischen Musik. Der in Berlin lebende Produzent Jan Jelinek ist der Maestro des feinen Flirrens, subtilen Plockens und der dichten Klanggewebe. Mit Alben wie „Tierbeobachtungen“, „Loop Finding Jazz Records“ oder diversen Veröffentlichungen auf seinem eigenen Label Faitiche erforscht der 41-Jährige das Wesen der Musik und findet es in filigranen Spuren und sanften Schwingungen.

Und dann ist da der geniale Dilettant. Dennis Busch versteckt sich im Städtchen Ottersberg und lugt aus der niedersächsischen Provinz nur selten als Wirrwarr-Techno-Kauz mit absurden Künstlernamen wie James DIN A4 oder Krieghelm Hundertwasser hervor. Er schnippelt Sprache zurecht und verfährt ebenso mit Grafiken, Bildern, Mode und eben elektronischen Sounds.

Als „Techno mit Unkraut“ bezeichnete Dennis Busch einmal den verqueren, aber antreibenden Elektro, den er unter dem Pseudonym James DIN A4 produziert. „Ich sehe mich in der Tradition eines Collagekünstlers“, sagt Busch im Gespräch, „die Welt ist voller Bilder und ich versuche sie neu zu mischen, ebenso mache ich es mit Musik. Ich bin das Kaleidoskop, das man schüttelt, und dann kommt zufällig etwas heraus.“

Jan Jelinek hingegen hält nicht viel von der Idee des Zufalls. „Elektronische Musik entsteht aus einer Interaktion zwischen Gerät und Produzent“, sagt er im Gespräch. „Man geht bei elektronischer Musik konzeptionell vor.“

Dennis Busch und Jan Jelinek, das sind zwei sehr unterschiedliche Produzentenfiguren in den Randzonen der elektronischen Musik. Doch genau in dieser gegenseitigen Fremdheit liegt der Reiz, wenn sich ein Routinier des feinen Klangs – Jelinek – in der Kopie versucht und dabei den Elektro-Wildwuchs eines James DIN A 4 zu etwas „Neuem“ transformiert.

Kultur des Zitats

Farben und James DIN A 4: „Farben presents James DIN A 4“ (Faitiche/Morr Music)

Mit „Farben presents James DIN A4“ wendet sich Jelinek gänzlich der in der elektronischen Musik verankerten Kultur des Zitats zu. Er adaptiert zehn Tracks von James DIN A4 und bündelt sie in einem kompletten Remix-Album.

Dafür arbeitete sich Jelinek durch die weitestgehend unbekannte Diskografie des Soundcollageurs, durch über ein Dutzend Alben, die Busch meist auf seinem eigenen Label Esel in Kleinstauflagen mit eigenhändig angefertigten Covern veröffentlichte. „Die ausgewählten Stücke sind meine persönlichen Favoriten“, sagt Jelinek.

„Stehlen ist leicht. Der viel schwierigere – und immer noch geheimnisvolle – Schritt ist die Umwandlung des geliehenen Materials“, schrieb der britische Musikkritiker Simon Reynolds in einem Essay über die Remixkultur, um zu erklären: „Es kommt nicht darauf an, dass oder wie gestohlen wird, sondern darauf, was mit dem Gestohlenen angestellt wird: der Dreh, der ’etwas neu macht.‘“

Für Jelinek bedeutete jener von Reynolds zitierter „Dreh“, den Sound von Dennis Busch unter seinem alten Alias Farben neu zu interpretieren. „Ich habe eine Künstleridentität ausgegraben, mit der ich mich über zehn Jahre nicht mehr beschäftigt habe“, denn selbst die paar Farben-Maxis der letzten Jahre waren im Vorfeld nicht von Jelinek als solche angedacht. „Es war schwer, mich wieder in dieses Projekt hineinzudenken, ohne genauso zu klingen wie damals.“

Widersprüchliche Spielarten

Mit der Ästhetik, die hinter diesem Pseudonym steckt, hat er sich die Tracks des Unkraut-Künstlers angeeignet. „Farben ist für den Club gedacht und auch Dennis’ Stücke sind mit ihrem straighten Beat auf gewisse Art technoid.“ Und so kommen in diesem Remix-Album zwei sehr widersprüchliche Spielarten der elektronischen Musik zusammen: der filigrane Microhouse von Farben und die bizarre, mit einfachen Mitteln geschaffene Klangwelt von James DIN A4.

En Detail: Die Originalversion von DIN A4s „Chinesenschwert“ von 2006 ist von einem groovy Dickicht holztönender Clicks angetrieben. Mal leiernd, mal blechern fallen Akkorde auf den geschwinde klappernden Rhythmus ein. Unverhohlen knallt punktuell ein Tellerscheppern in den Track – ein typischer Move von James DIN A4, der gern in seiner Musik die Originalquelle seiner Samples plastisch vor Augen führt.

Von diesem gegenständlichen und nahen Sound hat Jan Jelinek den knabbernden Groove erhalten. Im Remix laufen schön verlorene, gedämpfte Patterns über das rhythmische Klappern, das nunmehr von einer langsamen Bassdrum begleitet wird. Ein metallisch klingendes Fiepen dringt scheinbar willkürlich durch Farbens warmen Sound. Wohl die poetische Adaption eines Busch’schen Tellerschepperns? Die raue Collage von Dennis Busch wurde von Jan Jelinek in ein voluminöses Gewebe gefügt. Die Unbeschwertheit eines James DIN A4 aber konnte die Adaption bewahren.

„Remixe sind nicht leicht“, sagt Jelinek. „Sie sollten im Geiste des Originalstücks sein, trotzdem möchte man eine eigene Handschrift hinzufügen. Ein idealer Remix verbindet beides.“

Von „Lucifer Rising“, eigentlich ein 10-Minuten-Track aus dem Jahr 2004, hat Jan Jelinek die durchgehenden Orgel-Patterns übernommen und leicht modifiziert. „Es gibt auf positive Art etwas Unkonzentriertes bei Dennis’ Stücken. Ich habe versucht, immer eine seiner vielen Idee in seinen Tracks herauszugreifen und auf die Farben-typische Art zu bearbeiten.“

So tauchen auch die Vocals im Remix auf: Von Busch ursprünglich immer wieder neu angekappt und im Breakbeat eingesetzt, hat Jelinek sie geregelt, verlangsamt und um ein paar Halbtöne tiefergelegt. Ganz sanft baut sich nun die Farben-Version des Teufelstracks auf – ein warmer, wabernder Teppich, der sich zunehmends verdichtet. Anstelle eines disharmonischen Melodiegeplänkers eines James DIN A4 setzt Farben aber auf einen anwachsenden Groove mit Cow Bells oder Bass.

„Das Unkonzentrierte bündeln“

„Jan hat meine Essenz rausgeschält“, sagt Dennis Busch. „Bei mir geht es darum, das Unkonzentrierte auf konzentrierte Art zu bündeln.“ Jelinek hat den James-DIN-A4-Kosmos tatsächlich eingefangen und ihm trotzdem einen Farben-Sound gegeben. Die Essenz bedeutet für ihn schließlich auch, sich vollends auf James DIN A4s Kunst der Soundschnippelei einzulassen.

Das Original von „Please Excuse my Face“ besteht aus dicht hintereinander gesetzten Samples, ein Krautsalat aus Werbe-Jingles, knisternder Orgel oder dem Freizeichen eines Telefons – freilich dem eines analogen Telefons. Der Farben-Remix ist unstet, voller Cuts. Die vielen Soundfetzen hat Jelinek jedoch in ein dumpfes Klangknäuel gebunden. Zäh rollt es nun über die Adaption des Busch’schen Groove, der als eine Art hochfrequentes, rhythmisches Zucken eines Nadeldruckers daherkommt.

Das Zucken eines Nadeldruckers und das Scheppern der Teller – seltsame Bilder ruft dieses Album wach. Die klangliche Konkretisierung kommt von Dennis Busch, Jan Jelinek wiederum verfolgt ihre Abstraktion. Trotz Artverschiedenheit ergibt „Farben Presents James DIN A4“ eine schöne Symbiose dieser zwei Produzenten. Ihre musikalische Originalität können beide darin behaupten. Jan Jelinek liefert mit dem gelungenen Album etwas, was in der Widersprüchlichkeit der Remix-Kunst liegt: ein eigenständiges Zitatwerk.

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