Pole-Dancing mit etwas Farbe

KINO „Fick, Fick, Fixation“: Bruce LaBruce versucht sich mit seiner Bearbeitung von Arnold Schönbergs Melodram „Pierrot Lunaire“ an darstellender Kunst

Mit seinen camp-orientierten, pornografischen Filmen wurde der kanadische Filmemacher Bruce LaBruce zum Helden der schwulen Filmkultur. Filme wie die RAF-Travestie „The Revolution Is My Boyfriend – The Raspberry Reich“ (2004) oder der Zombiefilm „Otto; or, Up with Dead People“ (2008) waren vielbesprochene kleine Hits. Mit Arnold Schönbergs „Pierrot lunaire“ geht der kanadische Filmemacher nun Richtung Hochkultur.

Arnold Schönbergs 1912 uraufgeführtes Musiktheater, eine Melange aus atonaler Musik und den makabren Gedichten von Albert Girauds, ist ein Klassiker. 2011 inszenierte LaBruce den Stoff am Hebbel-Theater und nun als Film mit vielen stummfilmmäßigen Untertiteln.

„As our story begins, our hero, Pierrot Lunaire, and his girlfriend, Columbine, are out on a date.“ Man sieht eine Frau im nächtlichen Scheinwerferlicht, auf der Straße andeutungsweise striptanzen. Im Auto sitzt gespannt ihr Freund, Pierrot (Susanne Sachsse) mit Schnapsflasche. Alles ist schwarz-weiß, stilisiert, zeitlos expressionistisch, auch wenn es heißt, die Handlung spiele in den 70er Jahren. Später knutschen beide, und das Schwarzweiß wird experimenteller.

Pierrot wirkt ein bisschen wie ein kesser Vater, erinnert zuweilen auch an Giuletta Masina aus „La Strada“ und in einem schönen Moment auch an Marc Almond.

Man sieht das Pärchen an einem Tisch im Cabaret mit dem reichen Vater von Colombine. Später auf der Bühne spielt Pierrot im billigen Arbeiteranzug einen Mann, der eine Frau spielt, die einen Mann spielt. Hinter ihr steht der anvisierte fette Schwiegervater, die 20er-Jahre-Karikatur eines Kapitalisten, und zieht ihr die Hosen runter: es kommt, wie zu erwarten war: „Your mister is a sister.“

Vor dem Spiegel steht Pierrot, bindet sich ein Tuch um die Brüste, um sie zu verstecken. Ihr Wunsch, stolzer Besitzer eines Penis zu sein, ist die eine Ebene der Geschichte. Die parallel mitlaufende andere Ebene besteht aus dem Schönberg’schen Sprechgesang der Pierrot-Lunaire-Gedichte. Der Sprechgesang von Susanne Sachsse ist deutlich; wer die Gedichte nicht kennt, wird trotzdem nur Fetzen verstehen.

Der Haupteindruck ist: Kunst.

Man hört diesen kunstvollen Sprechgesang, man sieht das blankgebohnerte Schwarzweiß oder Pierrot im offenen Napoleon-Mantel mit appliziertem Gummischwanz und denkt immer nur: Kunst.

Eher neidisch als erotisiert sieht sie einem Mann beim Pole-Dancing zu, wie er sich auszieht, seinen Schwanz reibt und schließlich kommt. Später steht einer vor einer „Gloryhole-Guillotine“, der Schwanz ist ab und der Film bekommt ein wenig Farbe. Noch einmal später schneidet Pierrot einem Liebhaber den Schwanz ab, um diesen dem Vater ihrer Geliebten zu überbringen, zum Beweis, dass sie ein Mann ist.

Manchmal gibt es Ausdruckstanz, manchmal singt jemand „Fick, Fick, Fixation“, eine Weile ist man gelangweilt, dann geht es wieder. Fans von Bruce LaBruce werden auch diesen Film mögen, irgendwie hat man ihn auch gerne angeguckt, aber letztlich ist man doch enttäuscht.

DETLEF KUHLBRODT

■ „Pierrot Lunaire“. Regie: Bruce LaBruce. Mit Susanne Sachsse, Luizo Vega u. a. Kanada/Deutschland 2014, 51 Min. Läuft nur am 2. Oktober im Moviemento