Herrlich rotziges Lamento

KURZBESPRECHUNG Karsten Krampitz: „Wasserstand und Tauchtiefe“

Das hat sich Marc Labitzke alles ganz anders vorgestellt. Der Vater vegetiert nach dem dritten Schlaganfall samt Verlust des Sprachzentrums dahin, „ein Körperbrei ohne Muskeln, einfach auf die Matratze gekippt“. Und er selbst, auch schon Mitte vierzig, muss die Pflege besorgen. Wobei ihm die finanzielle Absicherung des Vaters – Rente, Pflegegeld, Witwergeld – gerade ganz recht kommt. Und so sitzen Senior und Junior Labitzke im mageren Rand des Berliner Speckgürtels, voneinander abhängig. Ausgerechnet die beiden, die nie zusammengefunden haben, als der Vater noch SED-Apparatschik und später Abgeordneter im BRD-Landtag war.

„Wasserstand und Tauchtiefe“ heißt Karsten Krampitz’ Roman über diese Schicksalsgemeinschaft. Beides wurden in der DDR immer am Ende der Radionachrichten durchgegeben, manch einer wird das vielleicht noch erinnern. Und auch, dass man schon mal sagte, dieses und jenes interessiere einen so wenig wie die Wasserstandmeldung. Auch Marcs Lamento in die Ohren des Vaters könnte ein eher uninteressanter Nachklapp des großen Themenkomplexes Wende sein. Eben eine der typischen Ostbiografien, die das Schüttgut der historischen Umwälzung abgeben durften und deren Heimatorte plötzlich Nullenergiegettos für Berlinpendler sind. Doch Krampitz lässt diesen Abstieg so herrlich rotzig vortragen durch seine liebenswerte Heldenfigur. Das hat Verve und reflektierten Witz. Da hofft man direkt auf eine Brandenburg-Saga, erzählt mit Marc Labitzkes Bieratem. MORITZ SCHEPER

Karsten Krampitz: „Wasserstand und Tauchtiefe“. Verbrecher Verlag, Berlin 2014, 208 Seiten, 19 Euro