Metal mit Lust auf Krawall

COMEBACK Die Polit-Metal-Legende Rumble Militia kehrt 20 Jahre nach der letzten Platte auf die Bühne zurück. Neue Songs und weitere Auftritte sollen folgen. Eine Geschichtsstunde

Unermüdlich ging es gegen Nazis, Bonzen (so hieß das damals), Kommerz, Staat und Politik

VON BENJAMIN MOLDENHAUER

Für die kratzbürstigen Segmente subkultureller Unternehmungen ist es immer produktiv, wenn die Grenzen zwischen Gut und Böse, zwischen korrekt und scheiße klar und unmissverständlich gezogen sind. Die Bremer Band Rumble Militia, gegründet 1985, beschwor und zelebrierte den Kampf gegen den Feind mit einer Ausdauer, die Respekt abverlangt: Unermüdlich ging es gegen Nazis, Bonzen (so hieß das damals), Kommerz, Staat und Politik. Allerdings, und das war in der deutschen Punk/Hardcore-Szene weitgehend singulär, meldeten sich in diesem Fall die Betroffenen selbst zu Wort: Auf Rumble-Militia-Sänger Efstathios Agoropoulos und den Gitarristen Halkan Onuk dürften die Geschehnisse in Rostock-Lichtenhagen, Solingen und Mölln Anfang der Neunziger eine noch dringlichere Bedeutung gehabt haben als für deutsche Linksradikale ohne Migrationshintergrund.

Und auch die Musik war damals durchaus ungewöhnlich: Hardcore-Shouts verbanden sich mit Metalriffs und kreischenden Soli, die Doublebass wurde abrupt von einem Offbeat abgelöst, der den Song an die Ska-Einflüsse des britischen Punk anschloss. Insbesondere auf der letzten Platte „Hate Me“ kamen Crossover-Versatzstücke hinzu, was dann streckenweise nach den zu Unrecht vergessenen Suicidal Tencencies klang.

Und auch wenn sie gelegentlich ein wenig ungelenk klang, wirkte diese Musik: Die Anhängerschaft von Rumble Militia war alles andere als klein, als eine der wenigen Bands aus Bremen waren Rumble Militia bundesweit erfolgreich und wurden international wahrgenommen – von den einen als politische Metalband, von den anderen als metallische Punkband. Was damals, als Genregrenzen tatsächlich noch eine soziale Bedeutung hatten, so etwas wie die Quadratur des Kreises darstellte.

Am Samstag spielen Rumble Militia nun im Schlachthof ein Reunion-Konzert, gemeinsam mit Discharge, einer weiteren legendären Band aus den Achtzigern. Weshalb die Frage ist, ob die Vergangenheitsform damit obsolet ist. Immerhin: Eine besser funktionierende Zeitmaschine wird man an diesem Wochenende kaum finden. Schließlich hat sich der Kontext, der miese Verräter, doch grundlegend gewandelt: Die ungebrochene Gut-Böse-Unterscheidung nimmt einem heute niemand mehr ab, irgendwie sind alle zu schlau und selbstironisch, vielleicht auch einfach nur zu behäbig.

Die frühen Neunzigerjahre waren vielleicht die letzte Zeit, in der eine Band in ihren Songtexten noch plakativ und ironiefrei klarmachen konnte, wo es langgeht. Slime waren da für den deutschen Punk das Paradebeispiel: „Bomben bauen / Waffen klauen / Den Bullen auf die Fresse hauen“. An die Hamburger Punklegende knüpften Rumble Militia ganz direkt an, mit einem „Nazis Raus“-Cover auf der EP „Wieviel Hass wollt ihr noch?“, hier allerdings in der Thrash-Variante mit Doublebass-Gerumpel. Die EP war die Reaktion auf die rassistischen Ausschreitungen im frisch wiedervereinigten Deutschland, und der Begriff „Nazi“ wurde denkbar weit gefasst: „De Maizière / Waigel / Engelhardt / Alle raus / Kohl und Schäuble / Nazis raus“. Auf die Platte folgte der Ritterschlag: das Verbot durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften.

Inkriminiert wurde unter anderem die Zeile „Seiters / schäm dich, du Sau!“, mit der die Band an das moralische Gewissen des damaligen Bundesinnenministers Rudolf Seiters appellierte, der sich durch überdurchschnittlich ekelhafte Kommentare zur angeblichen „Asylantenflut“ hervorgetan hatte, während in Rostock-Lichtenhagen und Mölln der Mob unter Polizeiaufsicht randalierte. Auch nicht gern gehört wurden die Zeilen: „Heime abfackeln / Ist dein Ideal / Warum keinen Molli beim Bonzen rein?“. Der Einwand des Rumble-Militia-Sängers, man habe ja nur gefragt, konnte da nicht mehr viel retten, zumal die Zeilen „Hass auf diesen Staat / Lass ihn es spüren / Fackel ihn ab“ im selben Song nicht viel Interpretationsspielraum ließen.

Was bleibt? Eine singuläre Erscheinung: eine multikulturelle Bremer Band mit bundesweitem Erfolg und Lust auf Krawall, die Thrash Metal und Punk verband und es mit dem Linksradikalismus ernst nahm. Die Band-Mitglieder traf man nicht nur in der Kneipe, sondern auch auf Antifa-Plena. Die Vermutung eines ungenannt bleiben wollenden Lokalhistorikers, Rumble Militia seien ein geplanter Versuch der Bremer Antifa gewesen, die Metal-Szene bundesweit zu unterwandern und radikalisieren, ist aber wohl Quatsch. Wahrscheinlicher ist, dass die Band das damals einfach geil fand.

■ heute (Samstag), ab 20 Uhr, Schlachthof